Im Sommer stellte das Sozialministerium (BMSGPK) sein geplantes Tierarzneimittelgesetz vor (LANDWIRT 16/2023, S. 20f). Die Reaktionen darauf waren heftig, manche Praktiker haben das Gesetzeskonvolut regelrecht zerzaust.
64 Stellungnahmen
Trotz kurzer Friste war das Interesse am neuen Gesetzeswerk sehr rege. Insgesamt wurden 64 Stellungnahmen abgegeben. Die meisten Eingaben stammten von den betroffenen Verkehrskreisen bzw. deren Vertretern (Arzneimittelhersteller/Vertrieb, freiberufliche Tierärzte und Nutztierhalter) und der öffentlichen Verwaltung. 14 Stellungnehmer haben der Veröffentlichung ihres Namens bzw. ihrer Fachkritik nicht zugestimmt. Auch viele Landwirte haben sich gemeldet und sich einzelnen Kritiken angeschlossen. Die Stellungnahme der Initiativgruppe Milch erhielt so 790 Online-Unterstützungen.
Viel Praktikerkritik
Die meisten Kritikpunkte gab es zu den Punkten Arzneimittelverschreibung und -abgabe, den verpflichtenden Erregernachweisen und Antibiogrammen, den Dokumentationspflichten sowie zum Antibiotikaeinsatzkontrollsystem mit den geplanten Sanktionenkatalog für Tierhalter bei zu hohen Antibiotikaeinsatz in den Ställen. Dafür soll noch ein eigenes Schwellenwertsystem mittels Verordnung kundgemacht werden. Die Textierung ist nach wie vor nicht öffentlich bekannt.
Überarbeiteter Gesetzestext mit Fehlern
Das BMSGPK wollte nach eigener Aussage die Kritikpunkte aus der Begutachtung ernst nehmen und diese in den Endtext einfließen lassen. Dieser wurde dann von den Grünen dem Koalitionspartner übermittelt und dieser liegt dem LANDWIRT vor.
Zwar hat man doch einige Punkte angepasst, am Gesamtsystem ändert sich nur wenig. Eine breite Diskussion über den überarbeiteten Gesetzestext mit den Praktikern (Nutztierhalter, Tierärzte) scheuten ÖVP und GRÜNE offenbar. Dabei fallen u.a. erneut unkonkrete Begriffe auf, manche Stellen widersprechen sich noch immer und die angeordneten Expertenbesuche bei einem zu hohem Antibiotikaeinsatz werden für die Tierhalter auch kostenpflichtig werden.
Es werden unkonkrete, teils auch neue Bezeichnungen oder Begriffe, die rechtlich nicht oder nicht ausreichend definiert sind, verwendet (wie Indikation, indiziert, Prophylaxe und Metaphylaxe). An einer wichtigen Stelle flüchtet sich das BMSGPK in seiner Textwahl sogar in den Konjunktiv.
Auch die verfassungsrechtliche Diskrepanz bei der Sanktionsverfügung bei zu viel Antibiotika gegen TGD-Betriebe und Nicht-TGD-Betriebe wurde nicht aufgelöst. So sollen bei Nicht-TGD-Betrieben die Amtstierärzte alle Sanktionsstufen anordnen, bei den TGD-Mitgliedern sollen die ersten vier Sanktionen aber die anerkannten TGDs anordnen. Die Amtstierärzte müssen solche Verfügungen bekanntlich mittels Bescheid befehlen. Daraus ergibt sich die Frage, ob künftig Privatvereine, die TGDs, gar behördliche Aufgaben haben?
„Möglicherweise schreibt man dies auch ganz bewusst so ins Gesetz, um die Nutztierhalter in die TGDs zu treiben und die Amtstierärzte zu entlasten“, merkte ein ÖVP-Insider gegenüber dem LANDWIRT süffisant an.
Auch ist das neue Dach aller TGDs, der Verein Tiergesundheit Österreich (TGÖ), beim überarbeiteten TAMG-Gesetzesentwurf rausgefallen – dort war zuetzt nur mehr von den anerkannten Tiergesundheitsdiensten die Rede. Wohl eine Zession an den Kantönligeist unserer Bundesländer.
Geheime Letztverhandlungen
Doch es kommt zu „last minute“-Änderungen. Nach LANDWIRT Informationen gab es gestern zwischen den beiden Koalitionsparteien – angeführt von den beiden Agrarsprechern Clemens Stammler (Grüne) und Georg Strasser (ÖVP) – und der regierungsinternen Koordinierungsgruppe eine letzte große Absprache und wohl noch einige Detailänderungen. Diese wollte aber keiner rausrücken und alle darauf vom LANDWIRT Angesprochenen verweisen auf den Ministerratsvortrag.
Davon Wind bekommen haben dürfte auch die Österreichische Tierärztekammer (ÖTK), die heute eine geharnischte Presseaussendung absetzte. Möglicherweise hat man sich dort bisher darauf verlassen, dass das BMSGPK sie bei der Endredigierung noch einbindet. ÖTK-Präsident Kurt Frühwirth prangert in seiner Aussendung diese Nichtinfo und Nichteinbindung durch das BMSGPK scharf an: „Ein ordentliches faires Begutachtungsverfahren sieht anders aus.” Zudem werde das Gesetz für die praktizierende Tierärzten, Tierhalter und Landwirte auch entsprechende Konsequenzen haben, denn die Bezirksverwaltungsbehörden, Amtstierärzte und Gerichte werden sich strikt an den Gesetzeswortlaut halten. Außerdem wird mit diesem Gesetz laut ÖTK das Ziel, Antibiotikaresistenzen zu reduzieren, ins Leere gehen, die Bürokratie und der Dokumentationsaufwand im Gegenzug aber weiter steigen. Dies werde auch zu einer Kostensteigerung führen.
Husch-Pfusch oder Regierungspackelei?
Wie vom LANDWIRT schon vor Wochen befürchtet, will man das TAMG im morgigen Ministerrat durchdrücken, ohne über den Letztstand des Gesetzes mit den Betroffenen direkt zu sprechen. So will mit man das TAMG sofort ins Parlament schicken und dort dem Gesundheitsausschuss zuweisen. Der nächste Gesundheitsausschuss ist am 3. Oktober. Der positive Beschluss ist dort mit den Stimmen der Regierungsfraktionen sicher – spätestens in der nächsten Sitzung Ausschusssitzung am 5. Dezember.
Ob der Hektik und des schnellen Durchdrückens vermuten nicht wenige politische Abtauschgeschäfte zwischen den Regierungsparteien. Immerhin sind auch andere Gesetzesmaterien in der internen Koordinierung und auch bei vielen Postenbesetzungen (Bundesverwaltungsgericht, Wettbewerbsbehörde, Nationalbank u.a.) gibt es seit Monaten ein Patt zwischen Schwarz und Grün.
Neues Tiergesundheitsgesetz
Interessant ist auch, dass das BMSPGK erst knapp vor Verabschiedung des TAMG den Text für ein neues Tiergesundheitsgesetz, verpackt in einer Veterinärrechtsnovelle, vorgelegt hat. Dies hätte bereits viel früher geschehen müssen, um bei der Begutachtung des TAMG mit ins Kalkül gezogen werden zu können.
Vielleicht schauen sich das die Landwirtschaftskammern und die ÖTK rasch und genauestens an. Auch wenn das TAMG morgen vom Ministerrat beschlossen werden sollte, ist noch nicht aller Tage Abend. Mittels Abänderungsantrag kann ein von der Bundesregierung ins Parlamant geschicktes Gesetz immer noch verbessert werden.
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