Bauernsprecher Hans MeisterDas Dach, der Anwalt, das Gerichtsverfahren

Das Dach, der Anwalt, das Gerichtsverfahren

Stellen Sie sich Folgendes vor: Sie wollen eine neue Halle zur Lagerung von Gemüse und Obst bauen und beauftragen eine renommierte regionale Firma. Diese bestellt die Paneele zur Ummantelung und Eindeckung von einem namhaften Hersteller. Zwei Jahre nach Fertigstellung entdecken Sie, dass sich einzelne Paneele auf dem Dach stellenweise lösen und Blasen bilden. Sie rufen den Hersteller der Halle an, dieser verweist Sie auf den Paneelelieferanten. Der Paneelelieferant schlägt Ihnen eine Reparatur vor, die Ihnen nicht geheuer ist. Sie beauftragen einen Sachverständigen. Der stellt Mängel fest und empfiehlt den Gang zum Rechtsanwalt. Der Rechtsanwalt verhandelt für Sie. Eine weitere Sanierungsvariante wird vom Paneelelieferanten aus „Kulanz“ angeboten. Sie lehnen dies ab, weil der Sachverständige meint, das sei keine erprobte Lösung. Das Ganze zieht sich monatelang hin. Schließlich bleibt nur der Weg zum Gericht. Ein langwieriges Gerichtsverfahren ist die Folge. Aber Sie verlieren das Verfahren aus formalrechtlichen Gründen, weil – möglicherweise – Ihr Anwalt die Gewährleistungsfrist übersehen und die Klage zu spät eingebracht hat. Ihnen bleiben die Kosten und das reparaturbedürftige Dach. Was jetzt? So ging es Herrn H. aus der Steiermark.

Wie es dazu kam

Ich halte mich im Folgenden streng an die Gerichtsakten, weil mir eines der beteiligten Unternehmen mit Klage gedroht hat. Stahlbau Lieb GmbH errichtete für Herrn H. im Jahr 2004 eine Obsthalle um ca. 90.000 Euro. Im Sommer 2006 bemerkte Herr H. Mängel in Form von Blasen an den Dachpaneelen. Der Geschäftsführer der Stahlbau Lieb ersuchte seinen Sublieferanten, den Paneelelieferanten Brucha, sich des Problems anzunehmen. Firma Brucha bot Sanierungsmöglichkeiten an, die Herr H., beraten durch Herrn Sachverständigen DI Dr. techn. Seiffarth nicht akzeptierte.

Rechtsanwalt von Stahlbau Lieb dazu:

Die Firma Stahlbau Lieb GmbH errichtete im Jahr 2004 die gegenständliche Halle, wobei für die Dachkonstruktion Paneele der Firma Brucha GmbH verwendet wurden. Richtig ist, dass es in weiterer Folge zu einer Blasenbildung im Bereich der montierten Dachpaneele gekommen war. Eine sodann durchgeführte Überprüfung ergab, dass die Blasenbildung auf einen Produktfehler der verlegten Paneele zurückzuführen ist, der von Seiten meines Mandanten im Zuge der Verlegung der Dachpaneele jedenfalls nicht erkennbar war und ihn somit auch kein Verschulden an der bestehenden Situation trifft.

Die Firma Brucha GmbH als Herstellerin der Paneele hat das Vorliegen des Produktfehlers nicht infrage gestellt und wurde von ihr auch ein Sanierungsvorschlag in der Form unterbreitet, dass

  • die an der Oberschale gebildeten Blasen aufgebohrt werden und das darin enthaltene Gas abgesaugt wird;
  • die EPS-Isolierung im Sanierungsbereich aufgelegt wird;
  • auf die EPS-Isolierung anschließend ein Trapezbleich gelegt wird, das im Pfettenbereich mittels Dachtdichtschrauben verschraubt wird;
  • die zweite Blechschale mit einer Oberschale des darunter liegenden Paneels im Überlappungsbereich alle 35 cm mit Dichtschrauben verschraubt wird;
  • das Trapezblech auf der wasserführenden Ebene im Traufenbereich nach unten gebogen wird und im Firstbereich nach oben geschachtelt wird;
  • nach Abschluss aller Arbeiten die Verwinkelung im Ortgangs-, Traufenund Firstbereich mit neuen Kantteilen überzogen wird.

Angebotene Sanierungsvarianten

Die erste, im Jahr 2007 von Firma Brucha angebotene Sanierungsvariante, bestand also darin, Blasen in den Dachpaneelen anzustechen, um das Gas entweichen zu lassen und die Löcher mit einem Spezialkleber zu verschließen. Die Firma Brucha bot Herrn H. dann im März 2009 eine weitere Sanierungsvariante an, die sie als „Kulanzangebot“ darstellte (Urteil des LG für ZRS Graz). Das Erstgericht stellte fest, dass die Wellenbildung in den Dachpaneelen „die Tragfähigkeit der Paneele massiv beeinträchtigt“. Bezüglich der ersten Sanierungsvariante (Anbohren und Verkleben) stellte das Erstgericht fest, dass es „sich schon aus (der Aussage des Brucha Mitarbeiters) ergibt, dass diese Methode keinesfalls für den Auftraggeber zu akzeptieren ist wenn schon bei der Sanierung feststeht, dass weitere derartige Eingriffe erforderlich sind“ da „bei der Methode mit dem Absaugen und Verkleben jedoch die Problematik auftritt, dass es wieder zur Blasenbildung kommt und dann wiederum nachgesaugt und nachgeklebt werden muss“. Bezüglich beider angebotenen Sanierungsvarianten kam das Gericht zum Schluss: „Jedenfalls konnte im Zuge des Beweisverfahrens kein Beweis erbracht werden, dass die von der Nebenintervenientin (Brucha) auf Seiten der beklagten Partei (Stahlbau Lieb) genannte Möglichkeit oder das ursprüngliche Angebot tatsächlich technisch ordnungsgemäß ist. Vielmehr wurde vom Sachverständigen DI Zenker schlüssig dargelegt, dass keine hinreichende Prüfung der Sanierungsmethoden vorliegt, um auch nur ansatzweise Ausführungen zu machen, ob es sich um taugliche Methoden handelt.“

Rechtsanwalt von Stahlbau Lieb dazu:

Die Negativfeststellung des Gerichtes „es könne nicht festgestellt werden, dass die von der Beklagten bzw. der Nebenintervenientin angebotenen Varianten zur Behebung der Wellenbildung am Dach der gegenständlichen Halle technisch ordnungsgemäß seien“, lässt nicht den Schluss zu, dass es sich tatsächlich um eine untaugliche Sanierungsvariante gehandelt hätte. Tatsächlich war die Frage, ob der Sanierungsvorschlag zur Mängelbehebung geeignet war, letztlich für den Ausgang des Verfahrens nicht relevant, zumal das Klagebegehren bereits aufgrund des Fristablaufes abzuweisen war. Aus diesem Grund hat das Erstgericht auch keine Festlegung in der Form getroffen, dass es eine Untauglichkeit des Sanierungsvorschlages definitiv feststellte, sondern wurde ausgeführt, dass die Tauglichkeit der Sanierungsvariante nicht beurteilt werden könnte. Wie mir von Seiten der Firma Brucha versichert wurde, wäre die Sinnhaftigkeit der Sanierungsmaßnahme unter Beweis gestellt worden, wenn diesem Umstand im Rahmen des gegenständlichen Verfahrens tatsächlich entscheidungswesentliche Bedeutung zugekommen wäre.

Der von Ihnen aus dem Ergebnis des Verfahrens gezogenen Schlussfolgerung, Herr H. habe die angebotene Sanierung berechtigt abgelehnt, ist definitiv aus nachstehenden Gründen zu widersprechen.

Nach ständiger Judikatur ist der Werkbesteller lediglich berechtigt, durch die Setzung einer angemessenen Frist eine Zeitbestimmung für die Mängelbehebung vorzunehmen. Er ist aber nicht legitimiert, in sonstiger Weise auf Art, Umfang und Durchführung der Verbesserung Einfluss zu nehmen. Es steht daher vielmehr dem Unternehmer frei, die Verbesserung nach seinem Fachwissen vorzunehmen, ohne sich hiefür vom Besteller Vorschriften machen zu lassen.

Ergebnis des Prozesses

Landwirt H. verlor das Verfahren, weil die Gewährleistung, als die Klage eingebracht wurde, bereits abgelaufen war. Ein Verschulden konnte Stahlbau Lieb nicht nachgewiesen werden, weil sie von einem namhaften Paneeleunternehmen zugekauft hatte. Herrn H. wurden zwar Sanierungsvorschläge gemacht – die hemmen grundsätzlich die Gewährleistungsfrist, doch dies hat der Rechtsanwalt im Verfahren nicht vorgebracht. Herr H. hatte auch keinen schriftlichen Nachweis, dass ihm tatsächlich Sanierungsangebote vor Ablauf der Gewährleistungsfrist gemacht wurden. Die beteiligten Firmen stellen sich auf den Standpunkt, dass das Gerichtsverfahren von Landwirt H. verspielt wurde und damit ihre Unschuld feststeht.

Rechtsanwalt der Firma Brucha dazu:

Herr H. hat die von ihm behaupteten Ansprüche gegen die Stahlbau Lieb GmbH und gegen die Brucha GmbH vor Gericht geltend gemacht. Sowohl das Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz, als auch das Oberlandesgericht Graz haben das Vorliegen der von Ihnen nunmehr (wiederholt) behaupteten Ansprüche von Herrn H. ausdrücklich verneint.

Die von Herrn H. gegenüber der Brucha GmbH behaupteten Ansprüche wurden daher in zwei Instanzen verhandelt. Alle damit befassten Gerichte kamen zum Schluss, dass Ansprüche von Herrn H. keine bestehen.

Die von Ihnen gegenüber meiner Mandantin erhobenen Vorwürfe sind – wie es den Gerichtsunterlagen jederzeit ablesbar ist – daher unrichtig.

Abgelaufene Gewährleistungsfrist

Soweit die unterschiedlichen Sichtweisen. Festzuhalten ist, dass das Verfahren aus formalen Gründen – wegen der abgelaufenen Gewährleistungsfrist – verloren wurde. Über die festgestellten Mängel sagt das nichts aus. Im Gegenteil, das 1. Gericht als auch das 2. Gericht (Oberlandesgericht Graz) haben zu den aufgetretenen Mängeln klar und deutlich Stellung bezogen. Genau auf diesen Mängeln bleibt Herr H. jetzt sitzen, weil eine unglückliche Kette von Versagen ihn auf die Verliererstraße brachte.

Sie wollen uns ihre Meinung zum Thema sagen? Schreiben Sie uns:

hans.meister@landwirt-media.com, Tel.: 0316/821636-145, Fax: DW 151


Rechtliche Beratung: Dr. Christiane Loidl

 

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