Wer heute investieren und etwas bauen möchte, wird von der Bürokratie und der damit verbundenen Unsicherheit fast erdrückt. Statt einer Kultur des Ermöglichens erleben wir eine Kultur des Verhinderns.
Dazu zwei Beispiele – eines aus Österreich, eines aus Bayern.
Eine bäuerliche Bioenergiegenossenschaft in Österreich will ein neues Fernwärmewerk am Ortsrand errichten. Seit bald zwei Jahren beschäftigen sich Sachverständige, Behörden und Gutachter mit dem Bauvorhaben. Geologisches Gutachten, Bodenmechanisches Gutachten, Gutachten über die Oberflächenentwässerung, Verkehrstechnisches Gutachten über die Zuund Abfahrt, Lärmgutachten, Luftgütegutachten, Wasserrechtliches Gutachten und noch andere mehr. Die Amtsschimmel galoppieren, die Gutachter kassieren, die Bauherren zahlen. Außer Spesen bis jetzt nichts gewesen.
Eine Leserin aus Bayern schreibt mir:
„Wir haben vor ca. zehn Jahren eine genehmigungsfreie Halle (unter 100 m2) für unsere landwirtschaftlichen Geräte errichtet. Diese Halle steht auf einer Flurnummer, knapp an der Grenze (ca. 1 m) zu einer anderen Flurnummer.
Wir möchten jetzt auf dieser anderen Flurnummer auch eine genehmigungsfreie Halle errichten, die möglichst dicht an der bestehenden Halle angrenzen soll. Wie schaut‘s mit Abstandsflächen aus? Es ist immer die Rede von 3 m, wobei ja beide Flurnummern uns gehören. Wie sieht das rechtlich aus?“
Ohne Anwalt wird’s schwierig
Die Sicht des Bayerischen Baurechtsexperten in gekürzter Form:
„Es gilt der Grundsatz, dass Bauen im Außenbereich grundsätzlich nicht möglich ist. Von diesem Grundsatz wird unter anderem dann abgewichen, wenn es sich bei dem Bauvorhaben um ein privilegiertes Bauvorhaben im Sinne des § 35 Abs. 1 Bau GB handelt. Auch bei verfahrensfreien Bauvorhaben sind insbesondere die landesrechtlichen und bundesrechtlichen Bauvorschriften einzuhalten, auch wenn eine Baugenehmigung selbst nicht beantragt werden muss.
Zu den Abständen: In der Bayerischen Bauordnung heißt es, dass die Tiefe der Abstandsfläche 1 H beträgt, mindestens 3 m. H berechnet sich jedoch in Abhängigkeit der geplanten Wandhöhen. Je nach Standort der Halle und der angrenzenden Gebäude können Ausnahmeregelungen bei der Abstandsflächenregelung in Anspruch genommen werden.
Da bei dem angesprochen Bauvorhaben rechtliche Unklarheiten bestehen, die im ungüns tigsten Fall eine nachteilige Entscheidung der zuständigen Baubehörde zur Folge haben können, empfehlen wir dringend, anwaltlichen Rat einzuholen.“
Überall dasselbe Bild. Bauen ohne Anwalt ist fast nicht mehr möglich. Die bürokratische Komplexität ist inzwischen derart verwirrend, dass oft die Experten nicht mehr weiterwissen.
Es gibt zu viele Gesetzgeber, zu viele bürokratische Kontrolleinrichtungen. Alle wollen wichtig sein. Von der Gemeindeebene bis hinauf zur europäischen Ebene. Alle wollen ihre Wichtigkeit und Bedeutung durch möglichst viele Regulierungen unter Beweis stellen. Alle wollen zeigen, dass sie das viele Geld, das sie den Steuerzahler kos – ten, auch tatsächlich wert sind. Darum noch mehr Gesetze, noch mehr Regelungen, noch mehr Verordnungen. Der arme Bürger darf nicht nur die Steuern zahlen, sondern er muss das Wirrwarr von sich teilweise widersprechenden Gesetzen und Verordnungen unter Zuhilfenahme von Anwälten mit hohen Kosten wieder entwirren und damit ein zweites Mal büßen.
Wenn unsere Institutionen nicht bald vom Verhindern auf Ermöglichen umschalten, landen wir in einer bürokratischen Sackgasse ohne Zukunft.
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Rechtliche Beratung: Ecovis L+C Rechtsanwalt GesmbH
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