In der Landwirtschaft stellt man sich vor allem innerhalb der mittleren Strukturen diese Frage. Es geht um die Sorge und Angst, im Wettlauf um Größe und Intensivierung zu verlieren und zurückzubleiben, und es geht um mögliche Alternativen. Oder geht es in allen Bereichen nur noch darum, zu wachsen oder zu weichen?
Ernst Lichtenwöhrer aus St. Pankraz in Oberösterreich macht es auf seine Art und schreibt mir dazu Folgendes:
Du hast dich nicht weiterentwickelt!
Nach einer Maschinenringversammlung hatte ich das große Glück Ihren Vortrag: „Ist Größe und Wachstum alles? Wie viel ist genug?“ mitzuerleben. Es war eine enorme Bereicherung und Bestätigung für mich und mein Leben, zu hören, dass es Menschen gibt, die mich und meine Lebensweise verstehen.
Natürlich wurde auf den Tischen und am Weg nach Hause noch rege weiterdiskutiert, wo ich mich auch über die derzeitige landwirtschaftliche Entwicklung beklagte. Darauf bekam ich die Antwort: „Du hast dich nicht weiterentwickelt, also bist du auch an deiner jetzigen Situation selber schuld.“
Dazu möchte ich meinen Betrieb und meine Lebensweise kurz vorstellen:
Im Jahr 2000 stellte ich die Produktion von Milchvieh auf Mutterkuhhaltung um. Ausschlaggebende Faktoren waren unter anderem, dass meine Frau ihren erlernten Beruf als Landesmusiklehrerin sehr, sehr liebt und darin auch ihr Talent entfalten kann und ich meine Eltern nicht bis zu ihrem Lebensende ausschinden wollte.
Habe ich mich weiterentwickelt?
Am Beginn der Betriebsumstellung organisierte ich Mutterkuh-Stammtische und setzte mich auch sehr für die Gründung der Mutterkuharbeitskreise ein. Herdenmanagement, Weidemanagement, Fütterung, Rassenwahlum nur einige Punkte zu nennen – waren am Anfang genug Herausforderungen, um meinen Hof zu perfektionieren. 80 bis 90 % meiner Einsteller werden mit der Klasse E lebend klassifiziert, und die Zwischenkalbezeit meiner 20 F1 Kühe beträgt 355 Tage, die Kälberausfallquote liegt unter 10 %.
Kann man sich weiterentwickeln, ohne dass man größer wird?
Wie viel ist genug? Ich kenne die Antwort, aber für solche Betriebe hat die derzeitige Agrarpolitik keinen Platz mehr. Was ist in den letzten Jahren bei mir zu Hause noch alles passiert? Hausumbau, Stallumbau, Dachbodenausbau, Traktorkauf (70 PS), Gartenanlage mit Pool und Sommerhaus errichtet, Prüfung als Landesschilehrer sowie Prüfung zum Ranger der OÖ Kalkalpen absolviert, Mitglied im Pfarrgemeinderat, Jagdausschuss, Radclub und Arbeitskreisleiter der Gesunden Gemeinde, wo wir 2014 einen Gesundheitsförderungspreis gewonnen haben.
Meine Art der Weiterentwicklung
Ich habe meinen Betrieb nicht mehr vergrößert, weil ich mir nicht wie viele andere Menschen später die Frage stellen will: „Was habe ich im Leben nicht getan, was ich eigentlich noch tun wollte?“ Durch meine Tätigkeiten und Erfahrungen der letzten Jahre durfte ich interessante Menschen und Kulturen kennen lernen, tolle Gespräche führen, die flämische Sprache erlernen, Kindern unsere einzigartige Natur vermitteln, und das alles ist für mich viel mehr wert als die Gier nach Geld und mehr.
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