Wir alle hören die Zahlen und nehmen sie zur Kenntnis. In Österreich sperren täglich fünf Höfe zu. Im Osten Deutschlands sind bereits 20 % der Betriebe nicht mehr im Eigentum von Bauern, sondern in der Hand von Investoren. Europaweit sind es mehr als 350.000 Landwirte, die jährlich aufgeben. Dieser Trend wird sich fortsetzen.
Mein Freund Peter H., erfolgreicher Milchbauer und Rinderzüchter in der Steiermark, schreibt mir: „Ich war als junger Mensch eine richtige Leseratte. Als aktiver Bauer hat man Mühe, das aktuelle Geschehen und die Fülle an Fachliteratur halbwegs aufzunehmen. Jetzt habe ich das Glück, dass unsere jungen Nachfolger eifrig tätig sind. So kann ich mich zurücknehmen, um die Tugend des Lesens wieder aufleben zu lassen.
Zuletzt haben mich die Bücher ‚Aus toten Böden wird fruchtbare Erde‘ von Gabe Brown und ‚Das leise Sterben‘ von Martin Grassberger nachhaltig beeindruckt, ja richtiggehend fasziniert. Diese Werke enthalten viele Parallelen und bilden über weite Strecken meine Sicht der Dinge eindrucksvoll ab. Es werden vor allem konkrete Wege gezeigt wie man sich aus der gewaltsamen Umklammerung durch die Agrochemie und teilweise auch die Pharmaindustrie lösen kann. Diese krassen Fehlentwicklungen sollten auf allen Bildungsebenen bis hin zu den Universitäten aufgezeigt werden.“
Beide Bücher beschäftigen sich mit den Auswirkungen der intensiven Landwirtschaft und fragen, ob das, was und wie wir es tun, der richtige Weg sein kann. Der Arzt und Biologe Martin Grassberger veranschaulicht in seinem Buch „Das leise Sterben“ den Zusammenhang zwischen dem rücksichtslosen Umgang mit der Natur und der Zunahme von Krankheiten und Epidemien. Es werden die Fehlentwicklungen aufgezeigt, aber auch Auswege aus dieser scheinbaren Sackgasse beschrieben.
Dr. Grassberger schreibt: „…Die verbleibenden Landwirte werden immer weiter in eine Sackgasse getrieben. Aus der nur schwer zu entkommen ist. Sie müssen immer mehr Dünger und Spritzmittel einsetzen, um das gegenwertig herrschende Preisdumping am Lebensmittelmarkt zu überstehen. Immer mehr Geld muss investiert werden, nur um denselben Ertrag zu erwirtschaften… …In vielen Fällen moderner Landwirtschaft bleiben den Bauern heute pro Hektar oft nur knapp hundert Euro Gewinn – vor Steuern, wohlgemerkt. Eine Gewinnsteigerung, im Wesentlichen über EU Ausgleichszahlungen, ist nur durch Zupachten neuer Flächen möglich … Die globalisierte und konzerngetriebene Nahrungsmittelproduktion mit Monokultur und Massentierhaltung muss vor allem erhebliche Geldsummen für den stets steigenden mechanischen und chemischen Input aufwenden. Dies schadet langfristig der Umwelt und verursacht damit Kosten für zukünftige Generationen. Gut 70 Prozent der weltweit verzehrten Nahrungsmittel werden immer noch von Kleinbauern, häufig Familienbetrieben, produziert und auf lokalen Märkten verkauft …
Warum konnte sich dennoch das kapitalistische Mantra „größer ist besser“ in den Köpfen der Menschen festsetzen? Ein wesentlicher Grund hierfür ist die (absichtliche) falsche Berechnung von Effizienz und Produktivität, die nur den Ertrag pro Hektar als Vergleichsgröße heranzieht und die Kosten für Betriebsmittelaufwendungen, Umwelt- und Gesundheitsschäden ausklammert. Oft genug haben mir Bauern in den letzten Jahren geklagt, dass ihre Betriebsmittelaufwendungen für Saatgut, Dünger, Pestizide, Treibstoff, Technik etc. gerade durch den Verkauf der erzielten Ernte getragen werden. Ein Nullsummenspiel. Gewinn, das heißt den Lebensunterhalt, garantieren nur die flächenbezogenen EU-Förderungen. Von Effizienz kann hier keine Rede sein …“
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