KommentarSankt Bürokratius, ade?

Sankt Bürokratius, ade?

Er gilt als Heiliger ohne päpstlichen Segen. Ich spreche von Bürokratius, dem Allgegenwärtigen und Unausrottbaren. Selbst Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig hielt neulich als „erste wesentliche Erkenntnis“ seines aktuellen Strategieprozesses Vision 2028+ fest: „Die Bauern belastet die ausufernde Bürokratie“. Heureka, mag man da rufen.

Im selben Atemzug weisen Totschnig und seine Agrarpolitikkollegen derzeit verstärkt auf den „Bürokratiewahn“ der EU hin. Zugegeben: Gerade vor der kommenden Europawahl am 9. Juni bietet sich diese Sichtweise an. Noch dazu getrieben von den europäischen Bauernprotesten im Nacken.

Wo aber blieb der massive kollektive Aufschrei der vereinten Bauernvertreter in den letzten 25 Jahren? Als die Gemeinsame Agrarpolitik zum Bürokratie-, Kontroll- und Sanktionsungetüm gemästet wurde. Vor jeder neuen GAP-Periode hieß es, Zettelwirtschaft und Auflagen müssten weniger werden. Unterm Strich wurde es für unsere Bäuerinnen und Bauern dann jedes Mal komplizierter, selbst Mitarbeitern der Agrarbehörden stellten sich die Haare auf. Nehmen wir Düngung und Pflanzenschutz her. Dort geht heute ohne externe Beratung nicht mehr viel, will man nicht mit einem Bein im Kriminal stehen.

Ganz nebenbei verschweigt die heimische Agrarpolitik in ihrem Wehklagen über Brüssel den eigenen Amtsschimmel. Denn auch im Inland produzierte Regelungen, wie im Tier- und Naturschutz sowie bei Bauvorhaben, sorgen für Stirnrunzeln bei Land- und Forstwirten. Hinzu kommen privatwirtschaftliche Kontroll- und Zertifizierungssysteme. Auch die zipfen im Detail so manchen Bauern an.

Ganz klar: Politik, Verwaltung und Interessenvertretung sind gefordert, der Agrarbürokratie so gut es geht den Heiligenschein zu nehmen. Mit konkreten Maßnahmen. Das allerdings muss ein permanenter, jahrelanger Prozess sein. Und nicht nur ein Strohfeuer angesichts der nächsten Wahl.

Welches Bürokratie-Ärgernis nervt Sie am meisten?
Ob Richtlinie, Vorschrift oder Kontrolle: Senden Sie mir bitte Ihren Favoriten auf den Titel „Sankt Bürokratius der Land- und Forstwirtschaft“ an cr@landwirt-media.com. Schreiben Sie auch gerne dazu, was Ihren Vorschlag so besonders macht und warum die Leser des LANDWIRTS davon erfahren sollen.

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