Der Verkauf von Pestiziden in Österreich ist von 2011 bis 2018 um 53 Prozent gestiegen. Mit dieser Meldung brachte die Austria Presseagentur (APA) am 3. Juni den Stein ins Rollen. Die APA erwähnte nämlich in dieser Nachricht nicht, dass der Zuwachs fast ausschließlich auf das seit 2016 erstmals zugelassene Gas CO2 zurückzuführen ist. Dieses wird in Österreich seit 2016 in luftdichten Lagern gegen Vorratsschädlinge eingesetzt und nicht auf Bauernhöfen. Ohne CO2 stieg der Verkauf insgesamt um lediglich drei Prozent, wie aktuelle Zahlen der Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES) zeigen. Das stellte auch die Landwirtschaftskammer Österreich (LKÖ) in einer Stellungnahme klar. So weit, so gut. In einem weiteren Absatz machte die LKÖ aber auch die Bio-Bauern für den Anstieg verantwortlich: „So zeigt das Ansteigen der Menge an Schwefel von 675 t im Jahr 2011 auf 1.151 t im Jahr 2018 eindeutig das gleichzeitig starke Wachstum der Bio-Bewirtschaftung in der Landwirtschaft.“ Schwefel und Kupfer werden laut Aussendung der LKÖ „vornehmlich im Bio-Landbau bzw. auch vermehrt in der integrierten Produktion von konventionell wirtschaftenden Landwirten verwendet“.
Bereits am nächsten Tag berichtete der ORF auf seiner Webseite unter dem Titel Anstieg von Pestizidverbrauch wegen Bioproduktion. Diesem Bericht zufolge sind 2018 über 50 % der 5.300 Tonnen verkauften Pestizide für die biologische Produktion gewesen. Was sich auf den ersten Blick so liest, als wären Bio-Bauern für 50 % der gekauften Pflanzenschutzmittel verantwortlich, lässt sich relativ rasch erklären. Jene Mittel, die sowohl konventionelle Landwirte als auch Bio-Bauern einsetzen dürfen, machten im Vorjahr 1.434 t aus (siehe Abbildung). Zählt man zu diesen Mengen noch CO2, das auch biozertifizierte Lagerhalter verwenden dürfen und das erst seit 2016 in der Statistik geführt wird, dann erreicht man tatsächlich die Hälfte der verkauften Menge. Allerdings gibt diese Verkaufsstatistik keine Auskunft darüber, wie viel davon tatsächlich im Bio-Landbau eingesetzt wurde.
Bio Austria kontert
Als Reaktion auf die Kommunikation der LKÖ veröffentlichte Bio Austria am 5. Juni einen offenen Brief an LKÖ-Präsidenten Josef Moosbrugger. Dabei machte Obfrau Gertraud Grabmann deutlich, dass sämtliche Pflanzenschutzmittel, die für die Bio-Landwirtschaft zugelassen sind, auch in der konventionellen Landwirtschaft verwendet werden dürfen. Aufgrund zunehmender Resistenzen gegen chemisch-synthetische Pflanzenschutzmittel würden immer mehr konventionelle Kollegen beispielsweise auf Kupfer zurückgreifen, so Grabmann. Laut Verband werden auf deutlich über 90 % der Bio-Flächen überhaupt keine Pflanzenschutzmittel angewendet. Das ist laut Grabmann der LKÖ bekannt, daher hätte dies in einer ausgewogenen Stellungnahme erwähnt werden müssen. Geschäftsführerin Susanne Maier ergänzt: „Schwefel und Kupfer sind bedeutende anorganische Pflanzenschutzmittel für den Bio-Landbau, die schwerpunktmäßig im Wein- und Obstbau ausgebracht werden. Von der in Verkehr gebrachten Kupfermenge werden ca. 25 % in Bio-Kulturen verwendet, bei Schwefel sind es ca. 30 %.“ Von „vornehmlich im Bio-Landbau verwendet“, wie die LKÖ schreibt, könne demnach keine Rede sein, so Maier. Eine öffentliche Antwort von LKÖ-Präsident Josef Moosbrugger blieb aus.
Auf LANDWIRT Anfrage stellte der Sprecher der LKÖ klar, dass man sich an Fakten und Zahlen halte. Verantwortlich für die Schlagzeile Anstieg von Pestizidverbrauch wegen Bioproduktion sei man jedenfalls nicht. Generell sei es aber wichtig, dass man in der Kommunikation offen mit diesen Zahlen umgehe, sowohl konventionelle Landwirte als auch Bio-Bauern. Tatsächlich kann die Verkaufsstatistik aber keine seriöse Aussage über die Anwendung von Pflanzenschutzmitteln geben. Dazu wären Zahlen über die tatsächliche Anwendung nötig. Auch hinsichtlich der von der EU-Kommission ins Spiel gebrachten Pestizidreduktion um 50 % bis 2030 wäre eine konkrete Bestandsaufnahme der aktuellen Anwendung zielführend.
Eine Skandalberichterstattung auf dem Rücken der Bauern blieb Anfang Juni jedenfalls aus. Die Corona-Nachrichten waren den Medien offenbar wichtiger. Nur wenige Zeitungen haben das Thema in Kurzform gebracht. Für die Zukunft soll aber klar sein, dass konventionelle Landwirte und Bio-Bauern geeint kommunizieren – im Sinne aller Bauern.
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