LANDWIRT: Sie haben berechnet, dass die Mehrkosten für Tierwohl zwischen 8 und 50 Cent liegen. Haben die Ergebnisse die Branche schockiert oder beruhigt?
Ich habe Landwirte schon vor der Präsentation der Studienergebnisse gefragt, wie hoch sie die Mehrkosten für Tierwohl schätzen. Es zeigte sich, dass sie ein gutes Gespür dafür haben. Die Berater hätten teilweise noch höhere Mehrkosten erwartet. Überraschend war, dass bei Systemen mit etwas mehr Platz, wenig Einstreu und Auslauf gar nicht so viele Mehrkosten entstehen. Wenn man die Investitionszuschüsse und die ÖPUL-Maßnahme „Tierwohl-Stallhaltung“ abzieht, ist die Wirtschaftlichkeit sogar besser als beim gesetzlichen Mindeststandard.
Der Konsument wünscht sich aber viel mehr Platz, Tiefstreu, Auslauf, Ringelschwanz, Kastration unter Betäubung, gentechnikfreie Fütterung. Wer soll das bezahlen?
Will die Gesellschaft wirklich wühlende Schweine, dann kostet das doch sehr viel Geld. Dafür braucht es neben einer guten Basis aus öffentlichen Geldern auch höhere Marktpreise. Deutschland versucht, einen Totalumbau der Nutztierhaltung rein über öffentliche Gelder zu finanzieren. Ich bin gespannt, ob das wirklich funktionieren wird, weil das sehr viel Geld kostet. Die Frage ist auch, wie es mit der Wettbewerbsfähigkeit am internationalen Markt aussehen wird, wenn rundherum Vollspalten-Systeme etabliert bleiben.
Lidl Deutschland hat aufgrund massiver Bauernproteste den Schweinefleischpreis kurzfristig um einen Euro pro Kilo erhöht. Warum glauben sie, ist das Projekt gescheitert?
Ich glaube, dass Konzepte mit Druck nicht funktionieren. Proteste mit großen Traktoren erregen nur kurz Aufmerksamkeit, die aber schnell wieder verpufft. Ich denke, es braucht keinen Druck, sondern einen Sog. Tierwohlfleisch muss so hip, so trendy werden, dass die Konsumenten sagen: Wir wollen das. Dann haben die Handelsketten dafür zu sorgen, dass diese Ware in die Regale kommt. Eine wichtige Voraussetzung dafür ist Transparenz in Form einer Herkunftskennzeichnung. Der Konsument muss – auch bei verarbeiteten Produkten – wissen, was er kauft. Nur dann kann er bewusst entscheiden.
Welchen Marktanteil kann Tierwohl-Fleisch erzielen? Oder ist Tierwohl doch nur ein momentaner Hype?
Es wird immer Verbraucher geben, die preisbewusst kaufen und weniger auf die Qualität achten. Momentan ist Tierwohlfleisch eine kleine Nische im einstelligen Prozentbereich. Ich sehe zwar keine explosionsartige Entwicklung nach oben. Aber: Ich sehe ein stetiges, langsames Wachstum. Chancen sehe ich beim Ausbau des Angebots aus unterschiedlichen Haltungssystemen ähnlich dem bei der Milch. Da gibt es ja auch Heumilch, Weidemilch, Bergbauernmilch.
Die Absatzwege sind bislang unsicher. Sollten Bauern mit Investitionen in Tierwohl nicht besser noch ein paar Jahre abwarten, wie sich der Markt entwickelt?
Wenn heute ein junger Schweinehalter seine Zukunft in der Schweinehaltung sieht und investieren möchte, würde ich auf keinen Fall warten, sondern jetzt starten. Wenn man einen Stall baut, der für die nächsten 20 Jahre stehen wird, ist immer ein Risiko vorhanden.
Nur wenige Tierwohl-Programme haben sich längerfristig etabliert. Woran liegt das?
Bei Eiern beispielsweise habe ich ein volles Produkt, das ich zu einem höheren Preis verkaufen kann. Beim Schwein hingegen liegt das Erfolgsgeheimnis darin, es zu schaffen, das ganze Tier zu verarbeiten und alle Produkte daraus mit moderat höheren Preisen zu vermarkten. Es reicht nicht, nur Schnitzelfleisch zum doppelten Preis zu verkaufen. Denn: Bei einem Zuschlag von 30 bis 40 Prozent kaufen die Kunden die Produkte nicht mehr. Ich glaube, daran sind viele Vermarktungsprogramme gescheitert.
Ich möchte einen Stall bauen. In welches System soll ich investieren?
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