Bauernsprecher Hans MeisterVerlust der Wertschätzung

Verlust der Wertschätzung

Essen ist eine notwendige, alltägliche Angelegenheit. Wer jeden Tag satt ist und jeden Tag zu jeder Zeit aus einem üppigen, unüberblickbaren Angebot an Lebensmitteln wählen kann, denkt nicht unbedingt an den Wert der Vollversorgung. Es ist eher die Qual der Wahl, die ihm Sorge bereitet.

Wer zehn Kilogramm Erdäpfel um 1,99 Euro, einen Liter Milch um 79 Cent, ein Kilogramm Schnitzelfleisch um 3,99 Euro oder zehn frische Semmeln um 69 Cent kaufen kann, dem erschließt sich möglicherweise auch nicht der besondere Wert von Lebensmitteln. Es ist ja genug da, und es ist billig.

„Will die Gesellschaft noch Bauern? Wo bleibt die Wertschöpfung des Bauern, wenn er für besten Mahlweizen 15 Cent pro Kilogramm bekommt, der Konsument für bestes Weizenmehl jedoch 1,20 Euro im Geschäft bezahlt? Wenn es jedes Mal, wenn eine gute Ernte prognostiziert wird, zu einem Preisverfall bei diesem Produkt kommt. Die Auswirkungen des billigen Rohstoffpreises: Zerstörung der Dörfer, Gefahr für die Umwelt, hoher Landverbrauch. Die Spanne, die der Bauer zum Überleben braucht, wandert in die Industrie. Mit solch niedrigen Preisen können wir die Landwirtschaft nicht mehr erhalten. Man spielt mit der Zukunft der nächsten Generation“, schreibt mir Herr F. Greil aus Oberösterreich.

Billig muss es sein

Lebensmittel sollen billig und gesund sein, frisch und haltbar. Sie sollen schlank und nicht dick machen. Sie sollen das Immunsystem stärken und natürlich sein und es sollen große Portionen serviert werden. Viel und billig muss es sein. Das ist die Forderung. In den vergangenen 50 Jahren sind die Lebensmittel um rund 50 Prozent billiger geworden. Wir müssen also heute für unser Essen viel weniger lang arbeiten als noch unsere Eltern oder Großeltern. Kein anderer Bereich des täglichen Bedarfes ist so billig geworden wie Lebensmittel. Dieser ständige Preisrückgang hat viele Bauern zur Aufgabe gezwungen. Unsere Gier nach billigen Lebensmitteln hat vielen Bauern ihre Existenz gekostet, genauso wie vielen kleinen Lebensmittelgeschäften. Alle wollen billige Lebensmittel. Jeder giert nach dem nächsten Sonderangebot. Diese Entwicklung führt zu konkreten Auswirkungen:

Lesen Sie mehr dazu in meinem Buch „Wie viel ist genug“, ISBN 978-3-7020-1381-3

Mit dem ständigen Preisdruck auf die Landwirtschaft wird der Massentierhaltung und der industrialisierten Landbewirtschaftung Tür und Tor geöffnet. Billige Lebensmittel sind zum Wegwerfprodukt geworden und haben dadurch die notwendige Wertschätzung verloren. So verkommt die Lebensmittelerzeugung in den wichtigsten Bereichen zum Groschengeschäft. Wenn aber nur noch ein paar mickrige Cents je Einheit verdient werden können, dann verändert dies die Strukturen. Es bedarf entsprechend großer Bauernhöfe und großer Lebensmittelgeschäfte, um über einen entsprechenden Umsatz zu einem lebensfähigen Einkommen zu kommen. 1960 bearbeiteten in Österreich noch 402.000 Bauernhöfe ihr Land, heute sind es gerade noch 160.000 Höfe in Österreich, mit weiter fallender Tendenz.

Dasselbe Bild zeigt sich in Deutschland. Von 1991 bis 2010 hat sich in Deutschland die Anzahl der Betriebe von 630.000 auf 290.000 halbiert. Dies, obwohl in diesen 20 Jahren 200 Milliarden Euro an EU-Förderungen in die deutsche Landwirtschaft geflossen sind. Trotz Milliarden-Förderungen müssen jährlich tausende Betriebe aufgeben.

Bleibt die Frage: Welchen Zweck hat die Förderung und wer und was wird da eigentlich gefördert?

Sie wollen uns ihre Meinung zum Thema sagen? Schreiben Sie uns:

hans.meister@landwirt-media.com, Tel.: 0316/821636-145, Fax: DW 151

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