Ein Interview von Roman GOLDBERGER, LANDWIRT Redakteur
Bioland hat die Kooperation mit Lidl offiziell im Januar vorgestellt. Waren Sie überrascht über die vielen kritischen Stimmen dazu?
Jan Plagge: Nein, wir haben ja auch in den eigenen Reihen neben Befürwortern der Handelspartnerschaft auch kritische Stimmen. Vor der Bekanntgabe haben wir unsere Mitglieder informiert. Da sind wir beispielsweise gefragt worden, ob wir wissen, mit wem wir uns da einlassen. Diese Frage haben wir uns ja auch über fast zwei Jahre gestellt. Wir haben die Risiken geprüft, uns beraten lassen und sehr genau entlang unserer Vorgaben verhandelt. Die entscheidende Frage war aber, was wir insgesamt erreichen wollen. Wir wollen einen umfassenden ökologischen Umbau der Land- und Lebensmittelwirtschaft gestalten, dafür müssen wir in den nächsten Jahren deutlich mehr Verbraucher in diesen Umbauprozess mitnehmen, die heute noch nicht oder noch sehr wenig auf dem Bio-Weg dabei sind.
Wie waren die Reaktionen außerhalb der Landwirtschaft?
Das Feedback aus der Öffentlichkeit und den Medien war sehr positiv. : Die Chancen aus der Kooperation mit Lidl, nämlich notwendige Ausbau der ökologischen Landwirtschaft und ein breiterer Zugang zu hochwertigen heimischen Lebensmitteln, standen für uns im Vordergrund.
Wie passt Bio mit seinen hohen Tier- und Umweltschutzstandards mit einem Discounter zusammen, der „hamma günstig“ als sein Werbe-Credo erkoren hat?
Wir sind alles andere als naiv an diese Thematik herangegangen und haben mit Lidl diese Frage intensiv diskutiert. Lidl hat sich dazu verpflichtet, die Bioland-Produkte in Wert zu setzen. Auch Preisaktionen wurden vertraglich ausgeschlossen. Wir befinden uns alle im gleichen Boot und müssen im ökologischen Landbau schneller vorankommen, in der Qualität und in der Breite, wenn wir unsere Lebensgrundlagen sichern wollen. Wir haben in 50 Jahren Bioland-Geschichte in Deutschland jetzt knapp 10 % erreicht – für die nächsten 10 % haben wir definitiv keine 50 Jahre mehr Zeit.
Dass sich der Vertriebskanal ändert und die Verbrauchergruppe vergrößert, ändert nichts an unseren Richtlinien und Grundprinzipien, trägt aber dazu bei, „Bio für alle“ weiter voranzutreiben.
Was macht Sie sicher, dass die Zusammenarbeit mit Lidl keine Greenwashing-Kampagne ist?
Wir pflegen eine vertrauensvolle Handelspartnerschaft auf Augenhöhe. Lidl hat uns deren Ernsthaftigkeit und Änderungswillen in 18-monatigen Gesprächen glaubhaft vermittelt und wir sind vertraglich bestmöglich dazu abgesichert. Dazu bekennt sich Lidl auch öffentlich. In einem aktuellen Interview in der Zeitschrift „Stern“ kündigt Jan Bock, Lidl-Einkaufsleiter für Deutschland, an, dass sie Deutschlands nachhaltigster Discounter werden möchten und Bioland-Bauern faire Preise garantieren. Dazu starten sie viele weitere Initiativen, die über unsere Kooperation hinausgehen. Dabei wird Lidl aber immer ein Discounter bleiben und kein Bio-Supermarkt werden, das muss allen klar sein.
Welchen Vorteil sollen die Bioland-Bauern konkret von der Kooperation mit Lidl haben?
Der wichtigste Trumpf ist, dass sich Lidl zu einer langfristigen fairen Partnerschaft bekennt – und dies auch rechtlich und in den Verfahren sehr genau beschrieben und hinterlegt ist. Das schafft das Vertrauen, das wir und unsere Mitglieder brauchen, um die Ankündigungen Schritt für Schritt in der Praxis umzusetzen und Planungssicherheit zu haben. Auch die Marketing-Aktivitäten, die Lidl durchführt, tragen zur allgemeinen Bekanntheit von Bioland bei, wovon schlussendlich alle Bioland-Betriebe profitieren.
Wie ist die Zusammenarbeit angelaufen? Musste die vertraglich installierte Ombudsstelle bereits vermitteln?
Die Handelspartnerschaft ist sehr gut angelaufen. Daher konnte bislang auch auf die Dienste der Ombudsstelle verzichtet werden. Als Ombudsleute fungieren der Kartellrechtsexperte Christoph Peter und der Trierer Rechtsprofessor Frank Immenga.
Wie groß wird das Umsatzvolumen an Bioland-Lebensmitteln sein, die über diese Kooperation mit Lidl vermarktet werden?
Zu den Vermarktungszahlen von Lidl können wir uns nicht äußern. Nur so viel: Der aktuelle Fokus der Kooperation liegt auf Molkereiprodukten. Seit Januar sind viele Molkereiprodukte der Lidl-Eigenmarke „BioOrganic“ mit unserem Bioland-Markenzeichen erhältlich, darüber hinaus Äpfel, Apfelsaft, Kresse, Mehle, Gartenkräuter und regional auch Wein. Aktuell ist rund ein Viertel des Lidl-„BioOrganic“-Sortiments in Bioland-Qualität. Planungen zu weiteren Produktgruppen laufen und es werden schrittweise immer weitere hochwertige und heimische Bioland-Erzeugnisse hinzukommen.
In Österreich sind LEH und Discounter seit Langem die treibenden Faktoren in der Bio-Lebensmittelvermarktung. Auffallend sind die niedrigeren Bauernpreise in Österreich im Vergleich zu Deutschland. Bescheren Sie mit Ihrer Kooperation nun den deutschen Bio-Bauern einen Abwärtstrend bei Bio-Lebensmitteln?
Das Gegenteil ist der Fall – faire Erzeugerpreise sind die Grundlage unserer Partnerschaft. Wenn man die Ausweitung des ökologischen Landbaus aktiv mitgestalten will, kann man nicht nur auf den LEH schimpfen. Besser wir als Verband gestalten im Sinne unserer Hersteller und Erzeuger den heimischen Bio-Markt mit Qualitäts-Bio, statt die Entwicklung den Händlern alleine zu überlassen. Das war mit einer der Gründe, warum wir die Kooperation mit Lidl eingegangen sind, eben um aktiv dabei zu sein.
Was tun Sie konkret gegen die Gefahr eines bevorstehenden Preisdrucks durch den verstärkten Einstieg von LEH und Discounter in die Bio-Vermarktung?
Lidl hat sich vertraglich zu Fair-Play gegenüber den Lieferanten verpflichtet und zu auskömmlichen fairen Erzeuger- und Herstellerpreisen. Als Rahmen hat Bioland Fair-Play-Regeln festgelegt und eine Ombudsstelle eingerichtet. Die Einrichtung so eines Verfahrens eines Erzeugerverbandes ist einzigartig und dass Lidl sich darauf eingelassen hat, unterstreicht deren Ernsthaftigkeit. So wird ein maximaler Schutz der Lieferanten erreicht.
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