Wozu immer mehr Kühe? Wozu noch mehr Hektar Land bearbeiten? Wozu noch größere Ställe mit noch mehr Schweinen und Geflügel? Warum ständig mehr schuften, wenn von dem, was man hineinsteckt, nicht mehr bleibt als ein höheres Risiko und noch mehr Arbeit, wenn die Leistung nichts mehr leistet?
Wenn der Druck ständig zunimmt, noch effizienter sein zu müssen, ohne dass dabei mehr herauskommt, muss man das System hinterfragen. Bei immer mehr Menschen verfestigt sich der Eindruck, dass ihre Leistung nicht mehr entsprechend honoriert wird. Das lähmt und macht unzufrieden.
Der Konkurrenzdruck, aus allem das Letzte herauszuholen und immer effizienter zu werden, versklavt den Einzelnen und erstickt die Begeisterung. Statt Freude über das Geschaffene machen sich Frust und Zukunftsängste breit.
Von der Politik erfahren wir, was wir uns nicht mehr leisten können, nämlich kleine Schulen, periphere Spitäler, gerechte Gehälter, die Pensionen und kostendeckende, gerechte Lebensmittelpreise. Alles ist zu teuer, alles muss noch billiger gehen. Wir sind zu wenig konkurrenzfähig, rechnet man uns vor.
Jetzt sind wir nachweislich über Jahrzehnte immer effizienter geworden, arbeiten noch härter und noch immer heißt es: noch größer, noch intensiver. Viele fragen sich, was ist mit den Effizienzgewinnen geschehen? Zum Wohle von wem schuften wir? Wohin führt eine solche, nur auf Konkurrenzfähigkeit und Wachstum fokussierte Gesellschaft?
Strategie der Bedächtigkeit
Die Natur baut, im Unterschied zu uns, auf das schlichte Prinzip Bedächtigkeit und Stetigkeit. Nicht Wachstumsrekorde sichern die dauerhafte Bilanz, sondern kontinuierliche, bedächtige Anpassung. Der langfristige Erfolg steht im Vordergrund. Das ist eine gänzlich andere Strategie. Verlässt die Natur dieses bewährte Muster und protzt mit ihrem Leistungspotenzial, spüren wir die Auswirkungen in verheerenden Naturkatastrophen.
Wechselt die Natur vom Bedächtigkeitsmodus in den Leistungsmodus, fegt sie uns mit Tsunamis und Orkanen von der Bildfläche, zerstört mit Erdbeben, Vulkanausbrüchen und Hagelstürmen unsere Lebensumwelt, lässt alles in Schnee und Spätfrösten erfrieren oder uns in Hochwässern und Flutwellen ertrinken.
Wir erbitten von der Natur das genaue Gegenteil dessen, was wir ansonsten ständig fordern und als gesellschaftliches Credo hochhalten. Die Natur möge bedächtig und maßvoll sein. Bitte keine Höchstleistungen.
Nur in der nichtdomestizierten Natur akzeptieren wir, dass ein ganzes Menschenleben vergeht, bis ein Wald erntereif ist.
Aber auch die Natur soll in den Takt der Leistungsträger eingebunden werden. In den Labors der Leistungsdiagnostiker und Gentechniker arbeitet man intensiv an einer neuen Wirklichkeit.
Was bis jetzt nur in Teilbereichen gelang: Ein fertiges Masthuhn in 29 Tagen, ein schlachtreifes Mastschwein in 150 Tagen und die 15.000-Liter-Milchkuh sollen Digitalisierung und Gentechnik in Zukunft flächendeckend schaffen.
Das Ziel ist, die Natur zu einem VollzeitZuarbeiter der Leistungsgesellschaft umzuformen. Ein nicht ungefährliches Begehren, gemixt mit einer bedrohlichen Unwissenheit und einem überheblichen Allwissenheitsanspruch. Eine Paarung, die von vielen nicht zu Unrecht, zweifelnd hinterfragt wird.
Wenn wir alles riskieren, um die Leistungsansprüche immer weiter auszudehnen, wird die Unzufriedenheit zunehmen. Unsere Gesellschaft droht am fehlenden Maß und Ziel zu zerbrechen.
Es ist wie zu Weihnachten: Nicht die Anzahl der Pakete erhöht die Freude, sondern ihr Inhalt.
Allen Lesern wünsche ich frohe Weihnachten.
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