AckerbauDüngungZunhammer: „Wir transportieren Gülle, nicht Stahl“

Zunhammer: „Wir transportieren Gülle, nicht Stahl“

Ein Interview von Roman ENGELER

Engeler: Herr Zunhammer, das Ausbringen von Hofdüngern wie Gülle kommt wegen der Emissionen mehr und mehr unter Druck. Die Auflagen nehmen laufend zu. Ist dies für die Hersteller eigentlich mehr Segen oder mehr Fluch?

Sebastian Zunhammer: Es ist beides! Ich möchte es so erklären: Gesetzliche Regelungen haben die Eigenschaft, dass sie im Vorfeld ihrer Einführung die Wirkung einer Bremse haben. So ist beispielsweise die Düngerverordnung in Deutschland seit 2012 in Bearbeitung. Die Einführung wurde immer wieder verschoben. Die Landwirte sind verunsichert und entsprechend werden Investitionen zurückgehalten. Wird eine neue Regelung dann eingeführt, gibt es einen riesigen Auftragsschub.

Können neue Regelungen die Entwicklung der Technik beflügeln?

Bei uns ist das nicht so. Wir entwickeln seit vielen Jahren umweltfreundliche Gülletechnik, unabhängig von den gesetzlichen Regelungen oder meist vor der entsprechenden Einführung. Uns geht es in erster Linie darum, die anstehenden Probleme zu lösen, sei es bei der Genauigkeit beim Ausbringen oder bei der Reduktion von Emissionen.

Wie hat sich die Verteiltechnik in den vergangenen Jahren verändert?

Die einfachen Spritzverteiler wurden seit Mitte der 1990er-Jahre schrittweise auf den Schleppschlauch umgestellt. Eine Weiterentwicklung ist der Gleitschuhverteiler, der seit etwa 2005 auf dem Vormarsch ist. Im letzten Jahr haben wir bereits 70 % unserer Tankwagen mit „Glide-Fix“- oder „Farmland-Fix“-Verteilern ausgestattet und nur noch je 15 % mit Schleppschläuchen und Spritzverteilern.

Welche Trends gibt es in der Verteiltechnik?

Die Gleitschuhverteiler wurden in Arbeitsbreiten bis 27 m ausgeweitet, wobei mit unserem „Tele-Fix“ durch Abschalten und Einklappen jeweils drei Arbeitsbreiten möglich sind: Beispielsweise 24, 21 und 18 m. Auch die Teilbreitenschaltung über Section-Control ist inzwischen durchgängig realisierbar. Für die direkte Einarbeitung der Gülle haben wir den Kurzscheiben-Güllegrubber „Kusgu“ in Arbeitsbreiten von 4, 5, 6 und 6,50 m weiterentwickelt. Die Produktion von Schlitzgeräten haben wir eingestellt.

Wieso?

Die Arbeitsbreite ist einfach zu gering. Für mich ist dieses Gerät nicht rentabel. Im Vergleich zum Gleitschuh haben wir nur die halbe Arbeitsbreite, aber doppelt so viele Fahrspuren im Feld. Weiters ist auch die Pumpenleistung halbiert, und im Endeffekt braucht man doppelt so lang für die Ausbringung eines Fasses. Zudem ist das „agronomische“ Resultat eines Schlitzgeräts nur marginal besser als jenes eines Gleitschuhverteilers.

Gezielteres Düngen wird auch bei der Gülleverteilung mehr und mehr zu einem Thema. Neben der Verteilgenauigkeit ist in diesem Zusammenhang die Kenntnis der in der Gülle vorhandenen Nährstoffe gefragt. Mit dem „VAN-Control“ haben Sie schon vor Jahren ein entsprechendes Tool entwickelt.

Wie Sie sagen, ist ja der Nährstoffgehalt der Gülle das eigentlich wichtige Kriterium. Es macht heute keinen großen Sinn mehr, die Genauigkeit der Querverteilung noch weiter zu verbessern, die heute bereits einem Mineraldüngerstreuer ebenbürtig ist. Die Gehalte von Gülle schwanken zum Teil um mehr als 50 %, so dass man doch hier den Hebel ansetzen muss. Ich habe mir deshalb schon 2003 Gedanken gemacht, wie man die Inhaltsstoffe der Gülle messen könnte. Zusammen mit der Universität Kiel haben wir dann den „VAN-Control“ entwickelt.

Welche Inhaltsstoffe kann man mit dem „VAN-Control“ messen?

Wir messen online während der Befüllung am Gülletankwagen mehrere hundert Mal pro Sekunde gleichzeitig den Gesamt-Stickstoff, den Ammonium-Stickstoff, Phosphor, Kali und die Trockenmasse. Das funktioniert mittels Nah-Infrarot-Spektroskopie, also per Licht, dessen Reflektion durch ein kleines Fenster in der Gülleleitung aufgenommen wird. Das Farbspektrum des reflektierenden Lichts wird in Wellen zerlegt, aufgezeichnet und mit einer vorhandenen Nährstoff-Datei verglichen.

Wie homogen muss die Gülle für „VAN-Control“ sein?

Mit dem „VAN-Control“ wird die Ausbringung nach Nährstoffen geregelt, beispielsweise 100 kg N pro Hektar, und nicht mehr nach Kubikmeter pro Hektar. Die Praktiker, die das System seit Längerem einsetzen, rühren das Güllelager teils bewusst nicht mehr auf, sondern nutzen beispielsweise die obere Dünngülle bei Schweinegülle für nah gelegene Flächen, um Transportkosten zu sparen. Jeder Tank wird einzeln gemessen, so dass bei dünner Gülle größere Ausbringmengen verteilt werden können. Erst später wird der Güllebehälter aufgerührt und die hochwertigere, dickere und nährstoffreichere Gülle mit niedrigeren Gaben auf weiter entfernte Flächen ausgebracht.

Bei Sensoren spielt ja eine korrekte Kalibrierung eine entscheidende Rolle. Wie genau arbeitet „VAN-Control“?

Der Anwender muss das System nicht kalibrieren – er kann es auch gar nicht. Auf Grund unserer bereits zehnjährigen Erfahrung wissen wir, was für die Genauigkeit nötig ist. Der Sensor kann nicht manipuliert werden. Die Datenbank im System ist fix wie eine Straßenkarte im Navigationsgerät. Diese Datenbank wird laufend ergänzt und kann dann mit einem Update auf die Geräte geladen werden. Die Genauigkeit der Daten in der aktuellen Version wurde im Herbst 2017 von der DLG (Deutsche Landwirtschafts-Gesellschaft) zur Messung von Rinderund Schweinegülle sowie von BiogasSubstrat anerkannt.

Mit welchen Kosten muss man beim „VAN-Control“ rechnen?

Insgesamt mit Hardware, Datenbank und Einbau kostet der „VAN-Control 2.0“ rund 30.000 Euro. Setzt man das System sechs Jahre ein, so kostet es jährlich um die 5.000 Euro.

Effizient und nachhaltig schließen sich gegenseitig oft aus – auch bei der Gülletechnik, bei der man mit den Gewichten stets am oberen Limit ist. Die Fässer werden größer und die Verteiltechnik schwerer. Wo sehen Sie die Grenzen?

Meiner Meinung nach sind diese Grenzen bereits erreicht oder schon überschritten. Die Leistung kann heute aber mittels ZubringerTechnik noch erhöht werden, also mit Übersaugen am Feldrand. Wir spüren eine weitere deutliche Zunahme von Transporttechnik, zusammen mit einer stärkeren Nachfrage nach etwas kleineren Fässern zur Ausbringung, um auch bei schwierigen Bodenverhältnissen Gülle ausbringen zu können.

„Das eigentlich wichtige Kriterium ist der Nährstoffgehalt der Gülle. Es macht heute keinen großen Sinn mehr, die Genauigkeit der Querverteilung noch weiter zu verbessern, die bereits einem Mineraldüngerstreuer ebenbürtig ist.“

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