Zuerst erhöhen sie uns die Marketingabgaben und nun werden wir auch noch medial vorgeführt“, beschwerte sich ein österreichischer Landwirt massiv. Von „Selbstanklage, Hilflosigkeit und Selbstaufgabe“ sprach ein anderer. Ein Dritter: „Die müssen ein irre schlechtes Gewissen haben, wenn sie sich derart zu rechtfertigen versuchen.“ Ein weiterer Berufskollege sprach gar von einer „Todesnachricht“ bzw. einem „Partezettel“ und der „Entmündigung der Bauern“. So und ähnlich lauteten einige der Anfang Jänner beim LANDWRT Bauernanwalt einlaufenden Beschwerden.
Was war geschehen? Oder anders gefragt: Wer oder was regt diese österreichischen Landwirte derart auf, dass sie zu solch drastischen Worten greifen?
Textanzeige überraschte
Die simple Antwort: Eine Anzeige, geschaltet in den Tageszeitungen, erregte die Gemüter. Unter dem Titel „Die einzige Möglichkeit“ nahm die AMA Marketing GmbH – diese ist zuständig für das generische Absatzmarketing agrarischer Urprodukte bzw. Lebensmittel (siehe LANDWIRT Bauernanwalt Ausgabe 24/2022) – darin zu den in den letzten Monaten aufgedeckten Tierschutzverfehlungen einzelner Bauern Stellung.
Eine Tierschutzorganisation namens „Verein gegen Tierfabriken“ (VgT) hatte sich nach Schweine- und Rinderhaltungen zuletzt einige Geflügelmasthöfe vorgenommen. Im Dezember schockte sie die Öffentlichkeit mit ungustiösen Bildern und Videomaterial aus steirischen Ställen. Nicht nur in den Medien poppten diese dann auf, auch der General der REWE-Handelskette in Österreich kritisierte die AMA Marketing scharf, ortete ein „klares Versagen des Kontrollsystems“.
Das Asset der überwiegend von den Urproduzenten finanzierten Vermarktungsfirma agrarischer Rohstoffe, das Gütesiegel-Programm, kam so schwer unter Druck. Es war seit dem EU-Beitritt Österreichs mit viel Energie und Marketingbeiträgen aus der Landwirtschaft sowie Lizenzgebühren einzelner Lebensmittelverarbeiter aufgebaut worden. Das AMA-Gütesiegel steht im Rang eines staatlichen Gütezeichens und hat einen Bekanntheitsgrad von über 90 %. Damit ist es auch das stärk-ste und de facto einzige flächendeckende Qualitätszeichen der Land- und Lebensmittelwirtschaft. Gut 70 % der Konsumenten vertrauen darauf und geben an, dass dieses Siegel relevant für ihre Kaufentscheidung vorm Supermarktregal ist.
Unter Druck
Die AMA Marketing reagierte, kündigte auch ein verstärktes Kontrollprogramm an. So will man noch heuer die Anzahl an Kontrollen bei den Erzeugern von 15.000 auf 25.000 erhöhen. Zudem soll es verstärkt unangekündigte Überprüfungen in den Ställen geben. Die Audits will man auch dokumentieren sowie positive und negative Vorkommnisse in einem Art Tagebuch darstellen und veröffentlichen. Immerhin stehe man für Transparenz der Herkunft, habe nichts zu verstecken und wolle künftig besser und mehr mit der Öffentlichkeit kommunizieren.
Neuer Kommunikationsstil
Zur Rückgewinnung des angeknackten Vertrauens stellt die AMA Marketing ihre Kommunikation unter dem Motto „Mehr Miteinander“ bereits seit einigen Monaten neu auf. Man habe viel vorzuzeigen, ist sich das Managementteam rund um die neue Geschäftsführerin Christina Mutenthaler-Sipek sicher. So wurden über die Jahre viele Programme und Richtlinien ausgearbeitet, manches muss noch nachjustiert werden.
Die in Kritik stehende Anzeige sei auch der „neuen Offenheit“ der AMA Marketing geschuldet. Sagen, was ist, sei demnach die Motivation. Mehr noch: Man wolle künftig überhaupt „Taktgeberin in der Agrar- und Lebensmittelkommunikation“ werden, bekräftigte Mutenthaler-Sipek beim „AMA-Forum“. Vor 300 Entscheidungsträgern aus Landwirtschaft, Verarbeitung und Handel sowie weiteren 400 Online-Teilnehmern präsentierten die AMA-Marketinger ihr Zukunftsprogramm.
Am Rande war dabei auch die von manchem Bauer als „Partezettel“ bezeichnete Anzeige Thema, die laut Dr. Michael Blass, AMA Marketing-Geschäftsführer bis Ende 2022, weder als solcher gedacht war, noch wollte man über diesen Weg mit Landwirten kommunizieren. Vielmehr standen die Städter und urbanen Entscheidungsträger im Fokus. Doch auch Landwirte lesen bekanntlich Tageszeitungen und haben das Inserat mitbekommen. Einige regten sich maßlos darüber auf, viele haben es – weil in Schwarz und Grau statt in den gewohnten AMA-Farben gehalten – auch überblättert. Andere verstanden Sinn und Inhalt nicht wirklich.
Fazit
„Tue Gutes und rede darüber“, lautet ein alter Werbespruch. Doch nichts kann dabei schädlicher sein als ein falsches Wort oder eine missverständliche Tonlage. Daran muss und wird die AMA Marketing wohl noch feilen. Dabei sollte man die Hand, die einen – via Marketingabgaben – füttert, auch nicht ausschlagen. Vielleicht schaltet man bei kritischen Thematiken im Zweifelsfall künftig zwei Sujets: eines an die anvisierte Konsumenten-Zielgruppe und eines an die Zahler, die Landwirte.
Eines hat die AMA Marketing mit der in Rede stehenden Anzeige aber sicher erreicht: Man redet wieder über sie, ihre Werbemittel und Strategien. Diese sollten aber jedenfalls besser kontrolliert werden. Die jährliche Debatte im Parlament über die AMA Marketing-Geschäftstätigkeit hatte zuletzt auch stark an Niveau und Tiefe verloren.
Mehr zur AMA Marketing finden Sie auf amainfo.at und haltung.at
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