Schafe und ZiegenSchafDer letzte Schafler

Der letzte Schafler

Quelle: Foto: Paulus Gschwandl

Das Großarltal im Land Salzburg wird auch das „Tal der Almen“ genannt. Über 40 Almen werden dort noch bewirtschaftet. Wo heute hauptsächlich Rinder grasen, gab es damals besonders in den höher gelegenen Gebieten auch Schafe. Und das in einer heute nicht mehr vorstellbaren Zahl. Auf der im Talschluss gelegenen Kree Alm in Hüttschlag weideten bis vor wenigen Jahrzehnten noch über 1.000 Schafe auf einer Fläche von 300 bis 400 Hektar. Auch auf den benachbarten Almen wurden über den Sommer ähnliche Zahlen an Schafen und einige Ziegen aufgetrieben. Solch große Herden bedingten einen eigenen, saisonal angestellten Schafhirten, den sogenannten Schafler.

Ohrmark und Bergmark

Die Schafe kamen von vielen verschiedenen Bauern und wurden von St. Johann im Pongau beginnend durch das ganze Großarltal bis in den Talschluss in Hüttschlag getrieben. Größere Höfe brachten über 20 Schafe, kleinere „Lehen“ oft nur fünf bis sechs. Am Vorderkree-Hof der Familie Kreer in Hüttschlag kamen die Schafe in einen großen Pferch. Bevor es Ohrmarken gab, hatte jeder Bauer seine eigenen Markierungen in den Ohren seiner Schafe, die auch „Ohrmark“ genannt wurden. Diese bestanden aus verschiedenen Kombinationen von Löchern und Schnitten. Zusätzlich zu den Markierungen in den Ohren bekam jedes Schaf eine rote Markierung am Kopf, die „Bergmark“. Just über den Gebirgskamm im Lungau weidete nämlich wiederum eine Herde mit 1.000 Schafen. Diese hatten eine grüne Markierung am Rücken. So konnten die beiden riesigen Herden wieder getrennt werden, falls sie sich vermischen sollten. Es war jedoch eine der Hauptaufgaben der Schafler beider Herden, dies zu vermeiden. Der Samstag nach dem kleinen Frauentag ist der 8. September. An diesem Tag pilgerten alljährlich alle Schafhalter, deren Schafe in Hüttschlag den Sommer verbrachten, zum Vorderkree-Hof um ihre Schafe wieder abzuholen. Das Ereignis hieß „Schafeschee“, da die Schafe wieder voneinander geschieden, also getrennt wurden. Die Bauern suchten sich dabei großteils selbst ihre Schafe wieder zusammen, wurden aber vom Schafler kontrolliert, damit keiner ein falsches Schaf mit nach Hause nahm. Es war auch schriftlich dokumentiert, wer wie viele Schafe zum Auftrieb brachte, und es war für jedes Schaf ein „Grasgeld“ für den Besitzer der Alm zu entrichten, wovon auch der Schafler bezahlt wurde.

Die Arbeit der Schafler

Ein Schafler im Großarltal ist den ganzen Sommer über beinahe täglich bei den Schafen gewesen. Übernachtet wurde in einer der Almhütten oder zu Hause. Oft waren die Schafler Angestellte von größeren Bauernhöfen, also Knechte. Die meisten Schafler hatten einen Schaflerhund. Dabei handelte es sich meist um Mischlinge, die . Sie halfen beim Hüten halfen. Ein glattes, kurzes Fell war von Vorteil, da sonst Schnee und Eis im langen Fell hängen bleiben konnten und der Hund dann in der Bewegung eingeschränkt gewesen wäre. Je nach Wetter wurden die Schafe schon ab Anfang Mai vom Schafler auf die Alm getrieben, wo sie bis zur Schafeschee am 8. September blieben. Kam es bis dorthin zu einem Wintereinbruch mit Schneefall oder zu schweren Unwettern, musste der Schafler die Schafe weiter runter in Sicherheit bringen. Oft halfen ihm dabei die Bauern, und das konnte sehr gefährlich sein. Auf der Kree Alm steht der Gedenkstein eines Bauern, der beim Schafeholen ums Leben gekommen ist. Der Schafler und sein Hund mussten aufpassen, dass die Schafe in dem für sie bestimmten Gebiet blieben. Im alpinen Gelände mit so vielen Schafen auf so großer Fläche war dies schon keine leichte Arbeit, obwohl damals noch nicht die Gefahr von Wolf- oder Bärenangriffen bestand. Nur der Steinadler konnte eine Gefahr für kleine Lämmer werden. Aus diesem Grund waren manche Schafler auch mit einem Gewehr bewaffnet. Aufgetrieben wurden Mutterschafe mit ihren diesjährigen Lämmern. Vereinzelt haben Schafe aber auch auf der Alm gelammt und auch Widder waren Teil der Herde. Die Rassen waren hauptsächlich Bergschafe und Steinschafe, in die später auch schwerere Rassen eingekreuzt wurden.

Wolle als wichtigstes Produkt

Geschoren wurden die Schafe im Frühling und im Herbst. Klauenpflege war damals kein Thema. Die Schafe wurden vor der Schur in einem großen Trog gewaschen; die Wolle wurde nach der Schur nicht mehr gewaschen. Es gab in Großarl sogar eine eigene Wollstreiche, in der die Wolle zu Garn verarbeitet wurde, um anschließend auf den Höfen von den Frauen versponnen zu werden. Daraus wurden anschließend Strümpfe, Socken, Hauben, Handschuhe, Westen und andere Kleidungsstücke gestrickt. Es wurde aber auch Wolle verkauft. Im Herbst kam der Wollhändler ins Tal und kaufte die überschüssige Wolle den Bauern zu recht guten Preisen ab. Schafe hatte jeder Bauernhof gebraucht, weil die Wolle damals das wichtigste Produkt der Schafhaltung war. Geschlachtet und gegessen wurden nur Altschafe. Von den Ziegen wurden nur die jungen zusammen mit den Schafen auf die Alm getrieben. Die Geißen, die gemolken wurden, brauchte man über den Sommer am Hof. Sie wurden zweimal am Tag gemolken und sollen pro Melkgang zwei bis zweieinhalb Liter Milch gegeben haben. Die Ziegen waren äußerlich sehr unterschiedlich und gehörten meist keiner bestimmten Rasse an.

Naz, der Letzte

Ignazius Gschwandl wurde am 5. August 1916 als lediger Sohn einer Magd in Hüttschlag geboren. Nach dem Kriegseinsatz flüchtete er im August 1945 aus englischer Gefangenschaft in Kärnten über die Berge in seine Heimat. 1952 heiratete er seine Frau Walburga und führte mit ihr eine kleine Landwirtschaft. Die beiden bekamen innerhalb von 15 Jahren elf Kinder. Ignazius Gschwandl war bei der Gemeinde Hüttschlag als Totengräber angestellt. Erst in seiner Pension wurde er Schafler auf der Kree Alm. Warum? „Er war ein Bergmensch und ein außergewöhnlich ausdauernder Geher“, erzählt seine Tochter Walburga Taxer. Er übte diese Tätigkeit 15 Jahre lang aus. Nachdem der „Naz“, wie er im ganzen Tal bekannt war, mit 70 Jahren im Jahr 1986 zum letzten Mal Schafler auf der Kree Alm war, war auch die Zeit der großen Schafherde auf dieser Alm vorbei. Knapp vor seinem Tod mit 86 Jahren, am 17. November 2002, wurde Ignazius Gschwandl schwer krank. Als er nicht mehr in der Lage war aufzustehen, musste sein Bett so im Raum platziert werden, dass er durch das Fenster auf die Kree Alm sah, wo er der letzte Schafler gewesen war.

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