Ein Interview von Lena ADLHOCH, LANDWIRT Redakteurin
LANDWIRT: Warum ist das Image der Landwirtschaft so schlecht?
Christine Schneider: Das Image der Landwirtschaft ist ja nicht generell schlecht. Genau genommen zeigen Umfragen immer wieder, dass Landwirte sogar zu einer der vertrauenswürdigsten Berufsgruppen gehören und zwar gleich nach Polizisten.
Warum wird die Arbeit der Landwirte in der Öffentlichkeit dann so kritisiert?
Die Verbraucher sehen im Fernsehen schlimme Bilder – wie beispielsweise Schweine auf einem bestimmten Betrieb unter widrigen Bedingungen gehalten werden. Natürlich überlegt sich ein Verbraucher dann, ob das bei allen Tierhaltern so ist. Die Verbraucher kennen auch keine Landwirte mehr. Bei mir im Dorf mit rund 600 Einwohnern gibt es kein Schwein und keine Milchkuh mehr.
Ist dann auch der Strukturwandel schuld?
Klar, der Strukturwandel und die größer werdenden Einheiten haben auf jeden Fall dazu beigetragen. Die Bevölkerung hört heute kein Huhn mehr gackern und keine Kuh mehr muhen. Schweineställe sind hermetisch abgeriegelt und ein Schild weist darauf hin: Betreten verboten! Warum, ist klar: aus hygienischen Gründen. Aber alles, was hinter verschlossenen Türen stattfindet, weckt erst mal Misstrauen. Ein Verbraucher sieht kein Tier mehr, kommt in den Stall nicht rein, sieht die Bilder aber im Fernsehen. Und das sind meistens keine positiven.
Warum sieht man hauptsächlich schlimme Bilder?
Die Aufgabe von Journalisten ist es, zu beobachten und über Dinge zu berichten, die die Zuschauer und Leser interessieren. Wenn alles läuft wie immer, ist das meist keine Nachricht. Landen beispielsweise am Münchener Flughafen 100 Flugzeuge nach Plan, berichtet niemand darüber. Das ist ja der Normalzustand. Wenn aber eines mal notlandet, ist das eine Nachricht.
Journalisten suchen also das Nicht-Alltägliche?
Natürlich. Ich möchte aber nicht leugnen, dass manche Berufskollegen auch die Skandale suchen. Das steigert die Reichweite, die Auflage und die Einschaltquoten. Da muss jedes Medium und auch jeder Journalist selbst für sich entscheiden, auf welche Art und Weise er berichten will. Es macht aus meiner Sicht aber keinen Sinn, immer alles auf die Medien zu schieben. Wenn es keine Missstände gibt, können wir keine erfinden.
Kürzlich fand ein bundesweit ausgeschriebenes Seminar zum Thema „Auftreten und argumentieren als Landwirt“ statt. 30 Plätze waren verfügbar, am Ende waren 15 belegt. Warum haben Landwirte so wenig Interesse daran, ihre Argumentation und Öffentlichkeitsarbeit zu fördern?
Der Landwirt fragt sich natürlich: „Was hab ich denn davon?“ Offen sind dafür meist Direktvermarkter. Kann ich mich und mein Produkt besser präsentieren, kann ich vielleicht mehr verkaufen. Wenn ich ein Ackerbauer im Gäuboden bin und meine Zuckerrüben nach Plattling fahr, ist mir doch im Grunde egal, ob ich ein gutes oder ein schlechtes Image habe oder wie ich mich präsentiere. Ich bekomme dafür keinen Cent mehr.
Und trotzdem ärgern sich Landwirte darüber, wie sie in der Öffentlichkeit dargestellt werden.
Wir ärgern uns auch oft über etwas und unternehmen nichts. Weil das mühsam ist. Man muss auch sagen, dass nicht jeder Landwirt ein Kommunikationsgenie ist.
Dafür wäre das Seminar gedacht.
Natürlich, aber viele denken sich: „Das kann ich sowieso nicht.“ Es fühlt sich auch nicht jeder Landwirt berufen, vor eine Kamera zu treten. Viele sagen: „Nein, das kann ich nicht und das will ich nicht.“ Wir können oft interessante Betriebe nicht vorstellen, weil sich die Betriebsleiter nicht vor der Kamera zeigen wollen. Das Argument der Landwirte ist dann: „Was sollen wir denn noch alles tun? Wir haben einen Haufen Arbeit, einen Haufen Bürokratie und jetzt sollen wir uns auch noch um die Öffentlichkeitsarbeit kümmern?“ Das delegieren sie schon gerne an ihre Verbände. Ich habe da ein gewisses Verständnis.
Landwirte beschweren sich, dass die Verbraucher mitreden und keine Ahnung haben.
Ja, das ist so. Jeder redet heute über jedes Thema. Das muss erlaubt sein. Zu mir sagen Landwirte oft, dass sie am Freitag am Stammtisch kritisiert werden, nachdem die Sendung „Unser Land“ ausgestrahlt wurde. Anstatt dass der Landwirt das nutzt und den Leuten erklärt, warum er dies oder jenes so macht, ärgert er sich darüber, dass er überhaupt damit konfrontiert wird. Wenn der Landwirt aber nicht erklären kann, warum er dies oder jenes so macht, sollte er sich fragen, warum. Aus meiner Sicht sollten Landwirte die Chance nutzen, dass man sie mal persönlich auf ein Thema anspricht. Sonst brauchen sie sich auch nicht beschweren, wenn das die Medien übernehmen, die ja angeblich „von nix eine Ahnung haben“.
Jammern Landwirte an sich zu viel?
Mitunter schon. Der Lebensmitteleinzelhandel sei schuld und der Verbraucher sei schuld. Aber das bringt nichts.
Aber wer ist schuld?
Der Verbraucher nicht, der ist wie er ist. Wenn zwei Milchpackungen im Regal stehen und ich weiß als Verbraucher inzwischen, dass qualitativ die gleiche Milch drin ist, warum soll ich dann die teure Milch für 1,20 Euro kaufen, wenn es die gleiche Milch für 60 Cent gibt? Die Bauern erwarten immer, dass der Verbraucher für sie mehr bezahlt. Wenn aber die Bäuerin in den Supermarkt geht, wird auch sie bei gleicher Qualität zu den günstigeren Taschentüchern greifen. Auch wenn sie mit den teureren vielleicht die bayerischen Waldbauern unterstützen könnte, weil die dann wiederum mehr für ihr Holz kriegen.
An dieser Stelle wird der Landwirt dann selbst zum Verbraucher.
Ja klar, es gibt viele Landwirte, die ihre Wurst im Supermarkt kaufen. Da kann man auch sagen, warum nicht beim Metzger ihres Vertrauens, der ihnen oder zumindest dem Nachbarn die Rinder abnimmt. Dieses Schimpfen auf den Verbraucher bringt nichts. Solange ein Überangebot da ist, wird es auch keine guten Preise geben.
„Solange ein Überangebot da ist, wird es auch keine guten Preise geben.“
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