Genossenschaften

Die ursprünglich als Gegenkraft zur Marktmacht privater Geschäftsleute gegründeten Genossenschaften üben heute selbst Marktmacht aus. Bleibt die Frage: Nützt die Marktmacht der Genossenschaften den Bauern? Nüchtern betrachtet ist eine Genossenschaft ein gewinnorientiertes Unternehmen wie jedes andere. Die Skandinavier und Holländer haben ihre Genossenschaften schon immer so gesehen. In unseren Breiten, Österreich und Deutschland, ist die Genossenschaftsidee Raiffeisens ideologisch und idealistisch überfrachtet.

Nutzen für die Mitglieder

Dieser idealistische Überbau der Raiffeisengenossenschaften – einer für alle, alle für einen – ist ein  Überbleibsel ihrer Entstehungsgeschichte. Damit werden falsche Erwartungshaltungen geweckt, die ein Wirtschaftsunternehmen, das sich gewinnorientiert am Markt behaupten muss, in der versprochenen Form nicht erfüllen kann. Da fühlt sich das einzelne Mitglied schnell veräppelt und als Teilhaber ohne Rechte. Die Idee Raiffeisens wurde im 19. Jahrhundert aus der Not heraus geboren. Sie sollte durch gegenseitige Hilfe und gemeinsame Anstrengungen bessere Lebensverhältnisse schaffen. Das bedingte einen regional begrenzten Kreis und eine überschaubare Anzahl von Mitwirkenden, mit einem klar erkennbaren Nutzen und direkter Teilhabe der Mitglieder an der Entscheidungsfindung. Genossenschaftsgiganten als Verschnitt aus Genossenschaften, GmbHs und Aktiengesellschaft mit Jahresumsätzen in Milliardenhöhe haben mit dieser ursprünglichen Idee Raiffeisens nichts gemeinsam.

Die Entscheidungsmacht wanderte von den Mitgliedern zum Management.

Nutzer- Eigentümerprinzip

Ein wesentliches Merkmal jeder Genossenschaft ist das Nutzer-Eigentümerprinzip. Die Nutzer der Genossenschaft sind gleichzeitig ihre Eigentümer und Finanzgeber und sie kontrollieren auch das Unternehmen. Für welche namhaften Genossenschaften gelten diese Voraussetzungen heute noch? Rechtsformwechsel und Börsengänge untergraben das Nutzer-Eigentümerprinzip, was zu einem Identitätsverlust der Mitglieder führt. Die Kontrollmöglichkeiten der Genossenschaftsmitglieder existieren vielfach nur noch auf dem Papier. Letztlich ist es aber nicht wichtig, wer formal die Kontroll- und Entscheidungsrechte hat, sondern wer sie tatsächlich ausübt.

Ist das noch Genossenschaft?

In den vergangenen Jahrzehnten waren die meisten Genossenschaften geprägt von einem ungeahnten Größenwachstum. Aus Fusionen, Übernahmen und Börsengängen sind gigantische Unternehmen entstanden. Beispiel

  • RWA AG RaiffeisenWareAustria): 2020 ein Gesamtumsatz inklusive Lagerhäuser von 6,8 Milliarden Euro.
  • BayWa AG, Umsatz 2020: 17,2 Milliarden Euro.

Die Entscheidungsmacht wanderte von den Eigentümern zur Geschäftsführung und dem Management. Dazu kommen eine fortschreitende Internationalisierung, eine Öffnung für Nichtmitglieder und Rechtsformwechsel. Wer bin ich? – Eine Genossenschaft, eine GmbH, eine Aktiengesellschaft, ein Zwitter?

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