LandlebenFamilieGewalt gegenüber Frauen: Hier bekommen Sie Hilfe

Gewalt gegenüber Frauen: Hier bekommen Sie Hilfe

Jede dritte Frau in Österreich und Deutschland erlebt in ihrem Leben Formen von Gewalt.
Quelle: ruigsantos/Shutterstock.com
Franz kommt in die Garage, wo der Hoflader steht. Der vordere linke Reifen ist platt. Sein Blick fällt auf die Schrauben, Nägel und Holzreste von seinem letzten Bauprojekt, die überall auf dem Boden herumliegen. Seine Frau Sabine hat ihn gebeten, die Sachen endlich wegzuräumen. Nicht dass sich noch jemand einen Nagel einfährt. Heute ist es ihm selbst passiert. Er schäumt vor Wut und stapft ins Haus. Sabine kommt gerade aus der Küche. Franz stößt sie grob zur Seite und beschimpft sie: „Wofür bist du überhaupt gut? Ist das Essen noch immer nicht fertig?“
Gewalt hat viele Formen: Sie beginnt nicht erst bei Schlägen, Stoßen oder Bespucken. Auch psychische Angriffe gehören dazu: herabwürdigen, beschämen, kontrollieren, und bedrohen.
Es gibt aber auch sexualisierte Gewalt, sie reicht von der Belästigung bis hin zur Vergewaltigung. Auch die finanzielle Gewalt zählt dazu. Sie bezeichnet jene Situationen, wo jemand finanziell abhängig ist und Geld als Druckmittel verwendet wird.
Gewalt kommt in den besten Häusern vor. Jede dritte Frau in Österreich und Deutschland erlebt in ihrem Leben Formen von körperlicher und/oder sexueller Gewalt – unabhängig von Bildung, beruflicher oder finanzieller Situation. 90 % der Täter sind Männer. Bei den Statistiken sind aber nur die polizeilich registrierten Fälle erfasst. Die Dunkelziffer ist viel höher.

Christian Reininger MSC arbeitet mit von Gewalt betroffenen Menschen.
Quelle: Privat

Streit oder Gewalt?

Christian Reininger ist Psychotherapeut und Lektor. Er arbeitet mit Menschen, die von Gewalt betroffen sind: „Konflikte gehören zum Zusammenleben dazu. Wenn der Umgang in der Familie jedoch zu körperlichen oder seelischen Verletzungen führt, dann ist Vorsicht geboten.“ Für Reininger ist Gewalt immer mit Zwang verbunden: „Der Mächtigere zwingt dem Unterlegenen seinen eigenen Willen auf. Dabei missachtet oder bricht er den Willen des Anderen.“ Dies bleibt oftmals kein einmaliger Ausrutscher. Es kann ein Kreislauf entstehen, in der sich Gewalthandlungen wiederholen und mitunter auch immer zerstörerischer werden. Beispielsweise könnte die eingangs beschriebene Situation zwischen Franz und Sabine dazu führen, dass sich die Spannung immer weiter aufbaut. Zu diesem Zeitpunkt lässt sich Franz besänftigen, indem Sabine sich besonders um ihn bemüht oder durch vorauseilendes Tun Probleme beseitigt. „Ich räume das weg, bevor er wieder schreit!“. Das gelingt jedoch nicht immer. Alle Probleme aus der Welt zu schaffen, gelingt natürlich nicht auf Dauer. Plötzlich reagiert Franz mit massiver Gewalt. Beide erschrecken. Franz bedauert und zeigt Reue. Er ist um Sabine bemüht, verspricht Besserung. „Es kommt nie wieder vor!“, „Ich wollte das nicht!“ Vielleicht aber schiebt er auch Sabine oder Anderen die Schuld für seinen Ausbruch zu. „Hättest du nicht…!“ Möglicherweise zeigt dies Wirkung und Sabine fühlt sich auch schuldig und übernimmt die (Mit-)Verantwortung für die Gewalttat. Mit der Zeit steigt die Spannung erneut an. Der Kreislauf droht sich zu wiederholen. Weil Franz Reue und Bemühen zeigt und natürlich auch liebenswerte Seiten hat, schöpft Sabine neue Kraft. „Oftmals hoffen Betroffene, dass sich alles wieder zum Guten wendet. Oder es wird aus Angst und Scham keine Hilfe gesucht“, weiß Reininger. „Ohne klare Reaktionen der Umwelt und vor allem ohne ausreichend Schutz der Betroffenen droht Gewalt zur Gewohnheit zu werden oder sich gar zu steigern.“
Ein möglicher Kreislauf der Gewalt: Die einzelnen Phasen können unterschiedlich lange dauern und wiederholen sich. Die Gewalthandlungen können intensiver und brutaler werden.

Wer wird gewalttätig?

Ein Gewaltausbruch ist immer ein Teil einer Geschichte. Erfahrungen aus der Kindheit, falsche Vorbilder, Überforderung mit der eigenen Gefühlswelt, abwertende Vorurteile über Mann und Frau, aber auch finanzielle oder soziale Belastungen, chronische Probleme – entscheidend ist das Zusammenspiel zwischen solchen Risikofaktoren und schützenden Umständen. „Manche Menschen haben erlebt, wie bedrohlich es sein kann, abhängig oder anderen unterlegen zu sein und versuchen dies so gut es geht zu vermeiden. Manche haben die Vorzüge einer gleichwertigen Beziehungsgestaltung selbst noch nicht erfahren. Sich stets durchzusetzen – und das mit allen Mitteln – oder gar sadistische Freude aus dem Leid der Anderen zu ziehen, scheint dann eine äußerst leidvolle Lebensstrategie.“, erklärt der  Psychotherapeut. Wir alle können und sollten Verantwortung für unser Verhalten übernehmen. Wer zerstörerische Dynamiken erkennt, kann andere Lösungen finden. Dies am Besten mit professioneller Unterstützung“, so Reininger.

Wo bekomme ich Hilfe

Österreich:

  • Information Polizei: 059 133
  • opfernotruf.at – 0800/112 112
  • Frauenhelpline der Autonomen Frauenhäuser: 0800/222 555 frauennotrufe.at
  • weisser-ring.at
  • gewaltschutzzentrum.at
  • gewaltinfo.at
  • haltdergewalt.at
  • Bäuerliches Sorgentelefon: Der direkte Draht für Lebensfragen, wenn einfach alles zu viel wird. Info und Begleitung sind kostenlos und Anfragen werden absolut vertraulich behandelt. Einfach zum Ortstarif anrufen unter 0810/676 810, Montag bis Freitag 8:30–12:30 Uhr (ausgenommen gesetzliche Feiertage).

Deutschland:

  • Polizeinotruf 110
  • Hilfetelefon Gewalt gegen Frauen:  08000/116 016
  • Kinder und Jugendtelefon Nummer gegen Kummer: 08000/116 111, youth-life-line.de
  • Weißer Ring Opfer-Telefon: 116 006
  • frauen-gegen-gewalt.de
  • bayern-gegen-gewalt.de
  • Montagstelefon in Bayern: Jeden Montag (auch an Feiertagen) 9–13 Uhr und 16–20 Uhr: 0800/131 131 0 (kostenlos) K
  • Krisenhotline der SVLFG: Rund um die Uhr: 0561/785 101 01

Was tun bei Gewalt?

Es gibt immer Wege aus der Gewalt. Vertrauen Sie sich jemandem an, der auch im Notfall zu erreichen ist. Im Akutfall hilft die Polizei bzw. verschiedene Beratungsstellen (siehe Infobox). „Wir sollten uns alle um gewaltfreie Umgangsformen bemühen. Dazu braucht es auch klare Grenzen. Manchmal führt erst ein äußerer Zwang, wie eine Wegweisung der Polizei zum Umdenken“, sagt Christian Reininger.
In Österreich muss sich der Täter dann innerhalb von fünf Tagen bei einer Beratungsstelle für Gewaltprävention melden. Damit signalisiert man: Wir dulden keine Gewalt. Aber wir setzen uns mit dir zusammen und auseinander und kümmern uns. „Das ist für manche das erste Mal in ihrem Leben, dass es jemand ernst mit ihnen meint“, so der Psychotherapeut. Bei einer Therapie wird die Verantwortung für die Gewalt übernommen und schrittweise versucht, die Kontrolle über das eigene Verhalten zurückzugewinnen. „An welchem Punkt verliert man die Kontrolle, wo kann man noch abbiegen und was macht man stattdessen“, erklärt Reininger.
Wichtig ist auch, dass das Umfeld handelt. Was tun die unbeteiligten Beobachter? Was sagen die Freunde, wenn der Mann seine Frau erniedrigt? „Da hört man dann Sätze wie: ‚Der hat zu viel getrunken‘ oder ‚Er hat es ja nicht so gemeint‘. Aber genau hier kann und muss das Umfeld auch einschreiten“, mahnt der Psychotherapeut. Ein Schritt kann es sein, den Täter aus der Situation zu nehmen oder ihm ganz klar zu vermitteln, dass er zu weit gegangen ist. Oder auch Betroffene auf Probleme anzusprechen. Auch die Zuschauer haben Verantwortung. Denn eines ist klar: Es geht auch anders!

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