Beim internationalen Symposium „Bodenschutz durch Raumplanung“ präsentierten hochkarätige Wissenschaftler aus Deutschland, Österreich und der Schweiz die aktuellen Entwicklungen zum Thema Bodenschutz durch eine geordnete Raumentwicklung. In der Diskussion um den Bodenverbrauch spielen Gemeinden als Bau- und Flächenwidmungsbehörden eine wichtige Rolle. Dabei befinden sich die Gemeindeverantwortlichen in einem Spannungsfeld: Jedes neue Bauvorhaben verbraucht einerseits Grund und Boden und bringt andererseits Einnahmen aus der Kommunalsteuer. Dies führte in den letzten Jahrzehnten zu einer massiven Zersiedelung und damit Verschandelung des Tourismuslandes Österreich.
Größtes Problem
Das größte Umweltproblem in Österreich ist der enorme Bodenverbrauch. Die Folgen sind beispielsweise zunehmende Schäden durch Überschwemmung, die Gefährdung der Ernährungssouveränität und der Schönheit des Landes. Österreich ist Europameister, was den Bodenverbrauch betrifft. So liegt der Bodenverbrauch im Durchschnitt der letzten Zehn Jahre bei 20 ha oder umgerechnet 30 Fußballfeldern. Wenn wir weiter 0,5 % der Acker- und Grünlandflächen in Österreich jährlich verbauen, gehen uns in 200 Jahren die Böden für die landwirtschaftliche Produktion aus. „Wir müssen konsequent an der geordneten Gestaltung unserer Räume zum Wohle der zukünftigen Generationen arbeiten!“, so Kurt Weinberger von der Vorstandsvorsitzender der Österreichischen Hagelversicherung und Vorsitzender des Universitätsrats der BOKU Wien, in seinen einleitenden Worten an die 150 Teilnehmer aus Wissenschaft, Wirtschaft, Politik und Medien.
Deutschland und Schweiz als Vorbilder
Deutschlands Landschaft ist naturbelassener als jene in Österreich. Dörfer und Städte sind kompakter, Wiesen und Äcker besser geschützt. In Deutschland gibt es im Vergleich zu Österreich eine wirkungsvollere übergeordnete Raumplanungsbehörde: die Kreisämter. “Die Raumplanungsstrategie dabei ist, Innenentwicklung vor Außenentwicklung zu forcieren“, so Stefan Siedentop von der Technischen Universität Dortmund. Dies führt dazu, dass der relative jährliche Flächenverbrauch in Deutschland mit 0,25 % der Ackerfläche nur die Hälfte des Flächenverbrauchs in Österreich ausmacht.
„In der Schweiz hat der Gesetzgeber den sogenannten Fruchtfolgeflächen, das sind landwirtschaftliche Nutzflächen mit den produktivsten Böden, ein absolutes Bauverbot auferlegt, um die Ernährungssicherung der Bevölkerung sicherzustellen“, präsentiert Silvia Tobias von der Eidgenössischen Forschungsanstalt WSL die wichtigste Bodenschutzmaßnahme der Schweiz.
Bodenschutz durch Raumplanung
Gernot Stöglehner, Leiter des Instituts für Raumplanung an der Universität für Bodenkultur in Wien, sieht den Schwerpunkt in der Innenentwicklung: „Das Bauen auf der ‚Grünen Wiese’ ist hintanzuhalten, die regionale Planungsebene zu stärken und funktionsgemischte Strukturen – wo man auf kurzem Weg Versorgungseinrichtungen, Schulen etc. erreichen kann – sind zu fördern.“
Franz Grossauer vom Institut für Raumplanung sieht durch den enormen Flächenverbrauch die Ernährungssicherheit in Österreich gefährdet. „Alleine die geplante 3. Piste des Flughafens Wien mit rund 500 Hektar Bodenverbrauch bedeutet, dass jährlich in Österreich 5.000 t weniger Getreide produziert werden kann“, so der Wissenschaftler.
Marianne Penker vom Institut für nachhaltige Wirtschaftsentwicklung auf der BOKU unterstreicht den stillen Landschaftswandel in Österreich durch den Bodenverbrauch und den damit verbundenen Verlust an wichtigen Bodenfunktionen wie z.B. die Wasserspeicherfähigkeit. Sie weist auch auf den dramatischen Anstieg der verbauten Flächen und der Verkehrsflächen hin: „Von 1960 bis 2016 stiegen die verbauten Flächen und Verkehrsflächen um 1.370 Prozent, während im gleichen Zeitraum das Ackerland auf 82 Prozent und das Dauergrünland auf 66 Prozent zurückgingen“.
Lösungsansätze für Österreich
Altes revitalisieren
In Österreich gibt es das Phänomen, dass laut Zahlen des Umweltbundesamtes mehr als 40.000 Hektar Industrie-, Gewerbe- und Wohnimmobilien leer stehen. Das entspricht in etwa der Fläche von Wien. Ein österreichweites Best Practice Beispiel ist die Oberwarter Siedlungsgenossenschaft (OSG). Sie kauft gezielt leerstehende Immobilien wie z.B. Gasthäuser oder Gewerbeimmobilien auf und revitalisiert sie für modernes Wohnen. „Wir können alle etwas dazu beitragen, Boden zu erhalten“, bringt es der OSG-Chef Alfred Kollar auf den Punkt.
Mehrstöckige Parkflächen
Eine geplante Gesetzesnovelle in Tirol wird wohl Änderungen für neue Handelsbetriebe bringen, vor allem für Supermärkte. Bei Neuerrichtung will das Land verpflichtend Tiefgaragen oder Parkdecks vorschreiben. Damit wolle man den Bodenverbrauch eindämmen. „Oft stehen einstöckige Supermärkte am Ortsrand auf der ‚grünen Wiese‘, meist mit doppelt so viel Parkfläche drumherum. Diese ‚Zubetoniererei‘ soll der Vergangenheit angehören“, sagte der für Raumordnung zuständige Landesrat Johannes Tratter.
Lösungsansätze gibt es viele
Um das Ziel der Nachhaltigkeitsstrategie der Österreichischen Bundesregierung aus dem Jahr 2002 ( zu erreichen, nämlich den Bodenverbrauch auf max. 2,5 Hektar pro Tag zu reduzieren, gibt es verschiedene Lösungsansätze:
- Österreichweite Leerstands-Datenbank und eine Flächenmanagement-Datenbank, die Gemeinden dabei unterstützt, Baulücken und Leerstände in Ortskernen transparent zu erfassen und bestmöglich zu nutzen
- Monetäre Anreizsysteme für eine Revitalisierungsoffensive
- Innenentwicklung vor Außenentwicklung
- Interkommunaler Finanzausgleich
- Schutz besonders wertvoller Flächen (landwirtschaftlicher Vorrangflächen), wie am Beispiel der Schweiz, wo die produktivsten Landwirtschaftsböden für die Ernährungssicherung der Bevölkerung gesetzlich vor Verbauung geschützt sind
- Vermehrtes Bauen in die Höhe und in die Tiefe
Dazu Weinberger abschließend: „Gerade die Sanierung des Leerstands unter dem Motto ‚Lieber sanieren statt Wiesen und Äcker neu zubetonieren‘, schont die Umwelt und schafft tausende Arbeitsplätze. Ein perfektes Beispiel, bei dem sich Ökologie und Ökonomie ergänzen und das kluge Volkswirtschaften und Unternehmen bereits erkannt haben. Das sind wir unseren Kindern und Kindeskindern schuldig!“
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