ManagementDie Fliegenlarve als Eiweißquelle

Die Fliegenlarve als Eiweißquelle

Michael Forster und Simon Weinberger: „Mit der Fliegenmast machen wir aus pflanzlichen Nebenprodukten hochwertiges Eiweiß.“
Quelle: Ecofly

Michael Forster zieht die Tür einer isolierten Kammer auf. Warme Luft schlägt ihm entgegen. Er betritt die Box. Drinnen ist es dunkel und still. In einer dunkelbraunen Kunststoffkiste winden sich tausende Maden. Die Larven sind einen zehntel Millimeter groß. Sie kommen nun in Mastboxen. Forster erklärt: „In der einwöchigen Mastdauer vertausendfachen die Larven ihr Gewicht.“ Gemeinsam mit dem Fischzüchter und Chemiker Simon Weinberger und dem Investor Bernhard Protiwensky gründete der 28-jährige Elektrotechniker vor drei Jahren das Start-Up Ecofly. Sie waren eines der ersten Unternehmen für Insektenzucht in Österreich. Michel Forster beschreibt die Anfänge: „Simons Familie betreibt eine Forellenzucht. Wir haben uns überlegt, was Fische in der Natur alles auf dem Speiseplan haben.“ So machten sich die zwei Oberösterreicher auf die Suche nach Möglichkeiten, um hochwertiges Eiweiß in regionalen Kreisläufen herzustellen. Die Wahl fiel schnell auf Insekten: Denn Raubfische können Insektenprotein gut verwerten – Insekten sind eine ihrer natürlichen Eiweißquellen.

In der einwöchigen Mastdauer vertausendfachen die Larven ihr Gewicht.
Quelle: Auinger

Bald darauf züchteten die beiden ihre ersten schwarzen Soldatenfliegen am Hof von Michael Forsters Eltern. Die Wahl fiel auf diese Gattung, weil sie in ihrer natürlichen Umgebung ein Nützling und kein Schädling sind. Zudem wachsen die Larven sehr schnell. Die ersten Anlagen bauten Forster und Weinberger in Eigenregie. Nach jahrelangem Tüfteln sind sie mit den Abläufen zufrieden. Sie züchten die Fliegen in Netzen und mästen die Larven in Kisten, die sie auf Europaletten stapeln. „Es gab kaum Wissen, wie man die Insektenzucht in größerem landwirtschaftlichen Maßstab betreibt. Deshalb mussten wir viel ausprobieren“, schildert Forster.

Abfallprodukte verwerten

Mit der Fliegenmast machen wir aus minderwertigen pflanzlichen Nebenprodukten hochwertiges Eiweiß“, erklärt Michael Forster. Mit einem Kilo Futter nehmen die Larven bei Ecofly ein Kilo zu. Zum Vergleich: Geflügel braucht 1,4 Kilo Futter, um ein Kilo zuzunehmen. Die Larven sind genügsam. Im stationären Futtermischwagen landen bei Ecofly pflanzliche Nebenprodukte wie Biertreber, Weizenkleie oder Trockenschlempe (aus der Bioethanol-Erzeugung). Diese Produkte sind fein gekörnt und müssen nicht gemahlen werden. Als Energiequelle ist auch CCM (Spindel und Körner des Maiskolbens) möglich.

Abläufe automatisieren

Die Mast dauert eine Woche. Am ersten Tag füllen die Insektenzüchter die 80 x 120 cm großen Plastikwannen mit Futter und Junglarven – 50.000 pro Behälter. Sie stapeln die Kisten auf Europaletten. 250 Wannen passen in eine Mastbox. Das Futter reicht für die gesamte Woche. Im Larvenstadium wollen die Insekten kein Licht, da sie ansonsten das Substrat an der Oberfläche der Kisten nicht verwerten. Der Stall ist isoliert und auf 25 Grad temperiert. Ein Wärmetauscher gewinnt die Wärme aus der Abluft. Somit muss kaum dazugeheizt werden.

Die Junglarven kommen in Mastkisten.
Quelle: Auinger

„Aufgrund des schnellen Lebenszyklus der Tiere sind Krankheiten eher unwahrscheinlich. Das Lüftungssystem muss allerdings verlässlich arbeiten. Die Kisten können sonst durch die Eigenwärme zu heiß werden. Hier liegt der einzige wirklich kritische Punkt in der Mast“, erzählt Forster. Das Ziel ist es, möglichst viele Abläufe zu automatisieren, da die Arbeitskraft ein teurer Faktor ist. Vollautomatische Stationen sollen in Zukunft die Mastkisten leeren, reinigen und wieder befüllen. Derzeit kippen die Insektenzüchter die Wannen in ein Schwingsieb aus der Getreidetechnik. Die Ma- den bleiben im Sieb zurück. Aus dem ausgesiebten Substrat pressen die Jungunternehmer vor Ort Düngerpellets für den Einzelhandel und den Bio-Gemüseanbau. „Die Verwertung der Reste ist Teil unserer Wertschöpfungskette“, erklärt Michael Forster.

Fliegeneier ausbrüten

Die Vermehrung der Insekten ist wesentlich schwieriger als die Mast. „Für die Zucht benötigt man viel Erfahrung und Fingerspitzengefühl“, weiß Michael Forster. Er zieht eine Kiste aus dem Stapel und greift in das Substrat. Das Larvenfutter rieselt zwischen seinen Fingern in den Behälter. In seiner Hand schlängeln sich zwei Zentimeter große Larven. „Sie verpuppen sich demnächst“, erklärt er. Aus den Puppen schlüpfen die Fliegen. In großen Fliegenkäfigen paaren sie sich. Eine Fliege legt 200 bis 600 Eier – Duftstoffe locken sie an den Platz für die Eiablage.

Die Mastkisten sind auf Paletten gestapelt.
Quelle: Auinger

In Brutschränken schlüpfen dann die Larven. „Wir portionieren die Babylarven und versorgen sie mit Starterfutter“, beschreibt Michael Forster die ersten Stunden der Mastlarven. Im April dieses Jahres stieg die Linzer Lebensmittelgruppe Vivatis mit 45 Prozent bei Ecofly ein. Michael Forster erklärt: „Unsere Endprodukte sind Insektenmehl, Insektenöl und organischer Dünger. Die Verarbeitung der abgetöteten Larve zu Mehl und Fett wird von der Vivatis-Tochter TKV-Oberösterreich übernommen. Die TKV stellt bereits jetzt viele hochwertige Rohstoffe für die Pet-Food Industrie her und hat ein umfassendes Logistiksystem.“

Prototyp für die Mast

Derzeit planen Forster und Weinberger eine Pilotanlage für die Larvenmast. Die Vivatis finanziert dieses Projekt. Eine etwa 2.000m² große Halle soll der Prototyp für weitere Mastställe sein. Michael Forster erklärt: „Die Ausmaße der Halle entsprechen etwa einem großen Masthähnchenstall.“ Den Ertrag des Stalles beziffert Forster mit einigen hundert Tonnen Insektenmehl pro Jahr. Langfristig will sich Ecofly auf die Zucht und Verwertung konzentrieren und die Mast auslagern. Das Betriebskonzept soll dann ähnlich wie in der Geflügelmast sein.

Aus dem ausgesiebten Substrat werden Düngerpellets gepresst.
Quelle: Auinger

„Wir liefern die Junglarven und holen die fertigen Larven täglich zur Verarbeitung ab“, sagt der Oberösterreicher. Das ist allerdings noch Zukunftsmusik. In zwei bis drei Jahren möchte Ecofly die Pilotanlage so weit optimiert haben, dass sie Landwirte ins Boot holen können. „Ideal werden dann Betriebe sein, die beispielsweise in der Nähe von Brauereien oder Zuckerfabriken liegen“, erklärt Forster. Da die Reststoffe oft sehr hohe Wassergehalte aufweisen, übersteigen Trocknungs- und Transportkosten oft den Rohstoffpreis. Für die Fütterung der Larven muss sowieso Wasser zugegeben werden.

Fliegen ohne Mund

„Wir werden oft gefragt, was passiert, wenn die Fliegen auskommen“, erklärt Forster. „Nichts Gravierendes“, fährt er fort. „Die Fliegen haben keine Mundwerkzeuge. Deshalb sind sie nicht an Nahrung interessiert und können keine Krankheiten übertragen.“ Da die erwachsenen Fliegen kurz nach der Paarung sterben, müssen sie auch nichts fressen. Futter für Hunde und Katzen sowie Spezialfuttermittel ist momentan für Ecofly der Haupt-Zielmarkt. „Hier können wir unsere aktuell kleinen Mengen absetzen“, berichtet Forster. „Auf EU-Ebene wird an Zulassungen für Geflügel und Schweine gearbeitet“, fährt er fort. Für diese Bereiche sind die Preise des Larveneiweißes aber derzeit noch zu hoch, da in der Insektenzucht bei Ecofly momentan noch viel Handarbeit steckt. Einige Insekten sind bereits für die menschliche Ernährung zugelassen. Die Absatzmengen sind aber noch relativ gering. Michael Forster erzählt: „Natürlich haben wir sie aber selbst schon gekostet. Aus der Heißluftfritteuse schmecken sie gut – wie Chips.“

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