AckerbauPro & Kontra: Die Krux der Ukraine-Exporte

Pro & Kontra: Die Krux der Ukraine-Exporte

Johannes Paar und Leopold Th. Spanring stellen die Stimmungen der Landwirte gegenüber.
Quelle: LANDWIRT Archiv

Überschwemmt die Ukraine den Markt? – dieser Frage gingen wir in der Titelstory im LANDWIRT 15/2023 nach. Dazu gab es viele Reaktionen seitens unserer Leser, die sich stark gegen eine Getreideeinfuhr nach Österreich und Europa aussprechen. Es gibt aber auch Händler und Landwirte, die sich mit billigem ukrainischen Getreide eindecken.

Wir stellen die Argumente der beiden Seiten gegenüber:

PRO – Johannes PAAR, LANDWIRT Redakteur

Leider konnte ich keinen Landwirt oder Handelsvertreter finden, der zu seinen ukrainischen Getreideimporten öffentlich Stellung nimmt. Die Angst vor Anfeindungen aus den eigenen Reihen ist groß. Dennoch erzählte mir ein österreichischer Landwirt zu diesem heiklen Thema Folgendes:
„Natürlich steht bei meinen Importen aus der Ukraine der Kommerzgedanke im Vordergrund. Es darf aber auch einem Landwirt nicht verboten sein, Geld zu verdienen. Ja, ohne ukrainische Ware hätten wir bei uns ein stabileres Preisgefüge. Aber ohne die Direktimporte, wäre die Ware über andere Länder zu uns gekommen. Gibt es irgendwo auf der Welt billiges Getreide, kommt es auf den Markt. Die Ware wird ja benötigt. Auch Prognosen von Experten oder Wetterkapriolen beeinflussen den Preis. Anlass für mich war die schlechte Maisernte im Vorjahr. Der Preis für heimisches Getreide war im Herbst hoch, in der Ukraine war billige Ware verfügbar. So entschloss ich mich, für die Energieerzeugung billige Ware zu importieren und meine eigene zu verkaufen. Importiert habe ich in erster Linie Maisschrot von schlechter Qualität. Der Toxingehalt war teilweise so hoch, dass es für die Tierhaltung ungeeignet war. Die Lager in der Ukraine waren voll, sodass in den Wintermonaten gedroschen wurde. Für die Fütterung von Biogasanlagen hat der Toxingehalt aber wenig Relevanz. Ähnliches gilt auch für Rückstände von Pflanzenschutzmitteln. Dafür gibt es Untersuchungen und Zertifikate, die man neben den üblichen Zollpapieren an der Grenze vorweisen muss. Ohne Ursprungszeugnis, das die Herkunft der Ware offiziell bestätigt, und ohne Zertifikat einer phytosanitären Untersuchung muss der Lkw wenden. Fährt man über Länder mit Importverboten wie zum Beispiel Ungarn, muss man den Lkw zusätzlich verplomben lassen. Solche Importe sind mit viel Aufwand verbunden. Momentan besteht keine Nachfrage nach ukrainischer Ware, da bei uns eine gute Ernte vor der Tür steht. Unterm Strich habe ich viel gelernt und einen Einblick in die internationale Güterbeförderung bekommen.“

KONTRA – Leopold Th. SPANRING, LANDWIRT Redakteur

Billiges ukrainisches Getreide einzukaufen, rächt sich gewaltig. Warum?

  1. Der Exportdruck der Ukraine bei ihrem Getreide und Mais ließ die Erzeugerpreise unserer Ackerbauern rasch fallen. Kein Wunder, dass sich die unmittelbaren Anrainerstaaten wehrten und ihre Märkte mit Hilfe aus Brüssel bis 15. September geschlossen haben. Transitware wird weiter durchgelassen.
  2. Der Solidaritätskorridor durch die EU nach Nordafrika funktioniert nicht. Teile der Lieferungen versickern in Europa, in dessen Lager ohnedies noch Reste der vorherigen Ernte lagern. Zudem ist die diesjährige Ernte mengenmäßig groß.
  3. Die Kontrollen und Qualitäten des ukrainischen Getreides sind eine reine Blackbox. An der EU-Außengrenze gibt es formale Einlasskontrollen, doch das sind reine Papierkontrollen. In den EU-Mitgliedsstaaten gibt es keine fixen Kontrollprogramme für ukrainisches Getreide. Trotzdem findet man immer wieder verbotene Substanzen wie Chlorpyrifos – in der Slowakei, Deutschland und Österreich. Lidl musste damit belastetes, in Spanien produziertes Popcorn zurückrufen.
  4. Laut EU-Kommission gehören gerade Spanien, die Türkei und China zu den Großabnehmern, gefolgt von Italien und den Niederlanden. So gelangt billiges ukrainisches Getreide in die Futtertröge und auf die Tische. Ist der ukrainische Rohstoff mal in der EU, gilt er bei Weiterverkäufen und Verarbeitung als quasi-europäisch. Welch ein Etikettenschwindel!
  5. Viele Großhändler behaupten, nur als Dienstleister tätig zu sein und das ukrainische Getreide im Auftrag ihrer Kunden z. B. nach Italien zu schleusen. Gerade Italien war seit jeher Zielland für österreichische Qualitätsware, die sich preislich nun mit dem ukrainischen messen muss.

Daher: Ohne Kontingentbegrenzungen und Zölle wird Europa das „ukrainische Problem“ wohl nimmer los!

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