LandlebenFamilie„Wir brauchen keine Pseudo-Idylle“

„Wir brauchen keine Pseudo-Idylle“

Ein Interview von Angelika LEITNER, LANDWIRT Redakteurin

Zotter-Schokoladen sind ja zu 100 % bio. Warum?

Josef Zotter: Ich glaube, dass bio auf lange Sicht die einzige Lösung sein kann. Und auch die einfachste. Bei unserem Essbaren Tiergarten sind die großen Investitionen gemacht, jetzt nehmen wir nur mehr heraus, bekommen jedes Jahr Kälber, Ferkel, ernten Gemüse und Kräuter. Wir brauchen keine Pflanzenschutzmittel. Es ist der einzige logische Weg. Irgendwann wird bio auch billiger als konventionelle Ware sein, weil man sich ja vieles spart. Wir müssen aufhören, Wachstum als einzige Überlebenschance zu sehen.

Das Unternehmen Zotter ist aber auch gewachsen.

Ja sicher. Wir sind ja keine Kostverächter. Aber hier geht es um ein natürliches Wachstum. Wir werden zu keinem Kunden sagen, nein danke, wir haben schon genug. Aber wir zwingen uns keinem Kunden auf. Das ist der große Unterschied. Bis zu einem gewissen Grad muss man wachsen, denn ich habe die Wahl: Entweder ich bin fleißig und mache alles alleine, oder ich habe einen oder – so wie bei uns – 170 Mitarbeiter. Die kosten aber. Dann muss man sich überlegen, wie man effizient wird. Das soll jetzt aber nicht so rüberkommen, als wüsste ich alles. Ich hatte in Graz drei Betriebe mit 50 Mitarbeitern und bin mit Bomben und Granaten an die Wand gefahren, weil ich größenwahnsinnig war. Meine Erkenntnis nach der Pleite war, dass der Markt zu klein war. In meinem zweiten Leben habe ich mich auf Schokolade spezialisiert. Hier ist der Markt natürlich viel, viel größer.

Was macht die Landwirtschaft Ihrer Meinung nach falsch?

Die Bauern müssen verkaufen lernen. Sie müssen sich dabei nicht schön anziehen oder eine Show spielen. Marketing ist einfach: Mach deine Produkte nicht hässlicher, als sie sind, aber auch nicht schöner. Immer polieren und schöner machen tut auf Dauer auch weh. Wir brauchen keine Pseudo-Idylle.

Aber der Tiergarten ist ja auch eine Art Scheinwelt.

Ja, natürlich. Aber dann auch wieder nicht. Die Tiere, die man hier sieht, werden wirklich geschlachtet und stehen auch auf der Speisekarte. Aber nicht nur die Filets, sondern alles von der Nase bis zum Schwanz. Deswegen ist die Speisekarte auch so eine Zettelwirtschaft (Klemmbrett mit einzelnen Zetteln, Anm. der Redaktion). Wenn es ein Produkt nicht mehr gibt, ist der Zettel schnell ausgetauscht und fertig. Wir machen das hier nicht zur Show. Die Beete mit Gemüse, die Kräuter an der Hauswand, der Salat, alles kommt auf den Teller bzw. ins Glas und wird besonders angerichtet. Weil wir hier alles verwerten und ab jetzt dann auch Essen im Glas für den Shop produzieren werden, kann ich zwei Fleischer voll auslasten.

Fehlt es den Bauern an Mut, etwas Neues zu probieren?

Kann sein, aber ich denke, ein Bauer muss es doch gewohnt sein, mutig zu sein. Ich glaube, es fehlt an Unternehmergeist. Die Landwirtschaft ist ja quasi die Vorstufe zur Lebensmittelbranche. Man muss sich damit auseinandersetzen. Wenn der Bauer es sich nicht einmal leistet, mit seiner Frau gut essen zu gehen – also einmal in das beste Restaurant der Gegend und wirklich einmal 200 Euro für Essen und Trinken auf den Tisch zu legen – wie kann er dann verstehen, welche Qualität und welcher Aufwand dafür notwendig ist? Man sieht immer nur die Preise.

Woran liegt es?

Unser Bildungssystem ist zwar sehr breit aufgestellt und es gibt sehr viel. Nur leider wird das, was wirklich wichtig ist, oft nicht unterrichtet. Mitarbeiter wissen oft gar nicht, wie sich eigentlich ihr Lohn zusammensetzt. Sie wissen nur, was am Ende übrig bleibt. Ich weiß schon, das ist auch Aufgabe des Unternehmens, das zu berechnen. Trotzdem geht es hier um die Wertschätzung. Oder bei der Milch: Wenn ich mir den Milchpreis anschaue, bekommt der Bauer 30 ct. Die Kuh gibt pro Tag 25 Liter Milch, das sind umgerechnet 7,50 Euro. Wir rechnen bei uns im Unternehmen, dass die Minute eines Mitarbeiters 50 ct kostet. Das heißt, es sind damit 15 Minuten bezahlt. Damit geht sich vielleicht das Melken aus, aber die ganzen anderen Kosten nicht. Diese Art von Landwirtschaft ist so krank. Wir müssen endlich erkennen, dass jeder unterschiedliche Talente hat. Wir Menschen sind nicht alle gleich. Auch der Bauer muss herausfinden, ob er Talent für die Sache hat oder nicht. Hat er es nicht, wird er besser Schuster.

Haben Sie das Gefühl, dass die Landwirte da zu wenig darüber nachdenken?

Ja sicher! Wenn ich etwas produziere, nehmen wir Rindfleisch, dann muss ich einmal dorthin, wo das Fleisch am teuersten ist. Nehmen wir das Kobe-Rind. War da ein Landwirt aus unserer Gegend schon jemals dort? Da geht es nicht darum, die anderen zu kopieren, sondern zu verstehen, was den Erfolg ausmacht, und neue Ideen zu sammeln. Einmal über den Tellerrand schauen. Fliegen ist ja eh so günstig (lacht).

Wichtig ist es aber auch, dem anderen etwas zu gönnen und nicht gleich zu denken: Der verdient so gut, der trickst sicher. Wenn ich als Milchproduzent zum Discounter gehe, um dort das billigste Joghurt zu kaufen, dann habe ich alles falsch gemacht und nicht verstanden, worum es geht.

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