Bauernsprecher Hans MeisterBauern, die Sherpas der Nation?

Bauern, die Sherpas der Nation?

Ende Juni einigten sich die EU und der südamerikanische Staatenbund Mercosur auf die Bildung der größten Freihandelszone der Welt mit mehr als 770 Millionen Menschen. Mercosur bedeutet so viel wie „Gemeinsamer Markt Südamerikas” und zählt mit über 260 Millionen Einwohnern zu den größten Wirtschaftsblöcken weltweit. Grob skizziert geht es bei dem Abkommen darum: da europäische Industriegüter für Südamerika, dort landwirtschaftliche Produkte von einer starken südamerikanischen Agrarindustrie für Europa.

Länder wie Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay sind agrarische Giganten mit riesigen Flächen und großen Betrieben, die kostengünstig produzieren können. So behauptet zum Beispiel Argentinien von sich, dass es Nahrungsmittel für 400 Millionen Menschen erzeuge, selbst aber nur 40 Millionen Einwohner habe, es also Exportmärkte für sein Rindfleisch, seinen Soja und Wein brauche. Dazu kommt, dass die Umweltauflagen auf niedrigem Niveau laufen. Pflanzenschutzmittel und Gentechnik werden großflächig eingesetzt. Auch die Verwendung von Antibiotika und Hormonen in der Tierhaltung ist obligatorisch. Für südamerikanische Farmer gelten somit ganz andere Spielregeln als für die heimische Landwirtschaft. Ein zu erwartender Zollabbau würde die Geschäfte ordentlich ankurbeln. Ähnliches gilt für die europäischen Autohersteller und die Industrie. Beispielsweise betragen die Zölle auf Autos derzeit etwa 35 Prozent und würden sich bei Realisierung des Abkommens entsprechend reduzieren. Es gibt also durchaus Chancen und Gewinner. Die heimische Landwirtschaft wird nicht dazugehören. Zu gigantisch sind die unterschiedlichen Gegebenheiten. Die Gefahrenpotenziale für die heimischen Höfe sind erkennbar: • Die riesigen Agrarflächen gekoppelt mit niedrigen Umweltstandards, verschaffen den Mercosurländern enorme Kostenvorteile in der Erzeugung. Keine Rede von Waffengleichheit in der Produktion und fairem Wettbewerb. • In der Folge wird es Rodungen von Regenwald geben, für noch mehr Agrarflächen. Die vertragliche Bindung an das Pariser Klimaabkommen bleibt Papier. Notfalls kaufen sich die Länder mit CO2-Zertifikaten frei. • Gaucho-Romantik und das ganze Jahr freilaufende Tiere täuschen Konsumenten mit dem Bild besonders naturnaher Landwirtschaft.

Dass die Interessen der Landwirtschaft in diesem Abkommen so wenig berücksichtigt wurden, sagt viel darüber aus, welche Rolle die Landwirtschaft in diesem Deal spielt. Das Risiko, mit dieser aufgebürdeten Last abzustürzen, lastet auf den heimischen bäuerlichen Familienbetrieben. Zu befürchten ist, dass wie bei den Gipfelstürmern am Himalaya den Bauern dabei nur die Rolle der Sherpas zugedacht ist. Sie dürfen mit hinauf, haben aber die Lasten zu tragen. Die Gefahr für unsere Landwirte ist deshalb groß, weil Wirtschaft und Politik nur die Vorteile einer großen Freihandelszone sehen und dafür anscheinend bereit sind, die Nachteile für die Landwirtschaft in Kauf zu nehmen. Auch das Drumherum der Agrarwelt profitiert von Handel, Importen, Exporten. Alle wollen zum Gipfel. Bleibt die Frage, wer wird noch bereit sein, sich für die Anliegen der Bauern einzusetzen? Noch bleibt Zeit. Jetzt müssen zuerst die 28 nationalen Parlamente und das EU-Parlament diesem Abkommen zustimmen. Über das Ob und Wie wird noch viel zu diskutieren sein. Eines scheint aber bereits jetzt sicher: die Landwirte und ihre Vertreter werden für ihre Interessen selbst kämpfen und Verbündete suchen müssen. Und es wird notwendig sein klar zu kommunizieren, ohne die Kraft der Sherpas kein Gipfelsieg, weder am Himalaya noch in Brüssel.

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hans.meister@landwirt-media.com, Tel.: 0043 664/14 13 684, Fax: 0043 316/821636-151

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