RindWas junge Bäuerinnen gegen fehlende Wertschätzung tun

Was junge Bäuerinnen gegen fehlende Wertschätzung tun

Almo-Landwirtin Melanie Haas will ein realistisches Bild von Landwirtschaft zeigen – auf Instagram und via Schule am Bauernhof.
Quelle: Haas

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Autobahnen ohne Autos, dafür mit Traktor-Kolonnen, die bis zum Horizont reichen. Landwirte, die sich zu Tausenden in Städten versammeln und ungewohnte Werkzeuge verwenden: große Schilder, auf denen sie ihren Unmut, in Botschaften verpackt, plakatieren. Von Griechenland bis Deutschland, von Frankreich bis Polen: Überall gleichen sich zu Jahresbeginn die Bilder in den Nachrichten. Kernbotschaft in den Medien: Der Bauer ist sauer. Doch wer sich die Mühe macht und nicht nur über die Bauern spricht, sondern mit ihnen, dem wird schnell klar: Zwischen Bürokratielawine und der ewigen Preis-Frage brennt vielen ein weiteres Thema unter den Nägeln. Es lässt sich nicht in Einkommensbilanzen, Statistiken oder Grünen Berichten festmachen, sondern eher in der Gegend zwischen Bauch und Herz: der Wunsch nach mehr Wertschätzung.

Nur 31 Prozent positiv

Michaela Sandmayr, Hofübernehmerin aus Oberösterreich, setzt auf aktive Kommunikation und hält dafür bundesweit Seminare.
Quelle: Sandmayr

Ist das auch in Österreich so, wo die Bauernproteste nicht jene Ausmaße wie in anderen EU-Ländern annehmen? Was sagt die junge Generation an heimischen (Rinder-)Bäuerinnen dazu? Und vor allem: Welche Lösungswege könnte es geben? Dem Bauchgefühl, wonach fehlende Wertschätzung viele Bauern mehr trifft als Bürokratie und Preise, ging die Oberösterreicherin Michaela Sandmayr in einer bundesweiten Studie wissenschaftlich auf den Grund. Vorweg: 41 % der 400 befragten Bauern blicken negativ in die Zukunft, 31 % positiv, der Rest neutral. Doch offen nach der Zukunft gefragt, wurde der Wunsch nach „Wertschätzung und Anerkennung“ mit Abstand am häufigsten genannt (von 28 % der Befragten), noch weit vor Aspekten wie „hochwertige Lebensmittel erzeugen“ (14 %) oder „regionale Lebensmittelversorgung sichern“ (8 %). „Aber es gibt höchst unterschiedliche Vorstellungen, was Wertschätzung überhaupt ist“, erklärt Sandmayr, die neben ihrer Tätigkeit in der Agrar-PR kürzlich selbst einen Ackerbaubetrieb in Kronstorf übernommen hat. „Für die einen zeigt sich Wertschätzung, wenn ihr Produkt gekauft wird, für andere, dass der Handel für sie da ist oder die mediale Berichterstattung positiv ist. Für andere wiederum bedeutet Wertschätzung, wenn sie positive Rückmeldungen auf ihre Arbeit bekommen.“

Anerkennung holen

Unabhängig davon ist Sandmayr überzeugt: „Anerkennung wird nicht frei Haus geliefert. Wer sich Wertschätzung wünscht, muss in den Dialog gehen.“ Die Botschaft, die die junge Oberösterreicherin in Seminaren für Landwirte in Gemeinden stets betont: „Sei selbst die Stimme, die du hören willst. Niemand kann über deinen Hof besser reden als du selbst.“ Darum habe sie mit Agrar-PR unter der Devise „Landwort“ begonnen: „Mich hat gestört, dass so viel über die Landwirtschaft gesprochen und berichtet wird, aber so wenig direkt aus der Landwirtschaft heraus.“ Hunderte Kilometer entfernt kommt Corinna Büchner mitten im Kuhstall im Bezirk Neunkirchen (NÖ) zum selben Schluss: „Wir haben sicher den meistbesprochenen Beruf. Doch waren es bisher immer die anderen, die über uns redeten“, sagt die 27-Jährige, die zehn Jahre lang als Friseurin tätig war, ehe sie zur Vollzeit-Bäuerin in einer Betriebsgemeinschaft wurde. „Mich hat gestört, dass andere ständig so tun, als wüssten sie besser, wie Landwirtschaft funktioniert. Aber ich rede auch keinem Zahnarzt drein, weil ich einmal ein YouTube-Video gesehen habe.“ Dies habe zu einer Situation geführt, in der Bauern häufig das Gefühl hätten, alles werde von außen, von praxisfernen Gruppen diktiert.

805.000 Klicks

Corinna Büchner war zehn Jahre Friseurin. Heute ist sie Vollzeit- und Vollblut-Bäuerin und erreicht mit ihren Videos auf Instagram bis zu 800.000 Leute.
Quelle: Büchner

Corinna Büchner ist Teil einer neuen Generation junger Landwirtinnen und Landwirte, die aktiv gegensteuern. Über verschiedenste Kanäle, allen voran in sozialen Medien wie Instagram, wollen sie aktiv mit Bildern, Videos und Erklärungen „ein realistisches Bild der Landwirtschaft von heute“ zeigen. Und zwar direkt aus den Ställen heraus, vom Traktor, von der Ernte. „Es bringt nichts, über Rinderhaltung zu kommunizieren, wenn ich nicht selbst im Stall stehe“, meint Corinna Büchner, deren populärste Instagram-Videos (zu finden unter @buechner_fenz_landwirtschaft) bis zu 805.000 Menschen erreichen, wenn sie „viral gehen“, wie das heute genannt wird. Bisher hatte die Logik der sozialen Medien – je kontroversieller ein Thema, desto mehr Leuten wird eine Story ausgespielt – vor allem eine Folge: Dass Themen die Runde machen, die die Landwirtschaft in einem negativen Licht zeigen. Das weiß auch Kommunikationsprofi Sandmayr. Dieser Logik, „und weil die Story über uns bisher immer andere erzählten“, will auch Viktoria Ruthner mit einer Prise Realität entgegenwirken. Die zweifache Mutter, die mit ihrem Mann im Waldviertel einen Holsteinzuchtbetrieb mit 60–70 Kühen (plus eigene Nachzucht und Mast der männlichen Kälber) führt, kannte bis vor drei Jahren Instagram nur vom Hörensagen. Heute erklärt sie in viel beachteten Beiträgen (zu finden unter @landleben.lebensecht) die Welt zwischen Kindern und Kühen aus Bauernperspektive. Ihr Beweggrund: „Du kannst fixe Meinungen von Menschen schwer ändern, aber du kannst auf falsch transportierte Fakten reagieren, selbst erklären und aufklären.“ (Mehr über Viktoria Ruthners Betrieb lesen Sie in Heft 3/2023.)

Lehren statt bekehren

Mit diesem Zugang ist sie nicht allein. Im oststeirischen Almenland gibt Boku-Absolventin Melanie Haas Einblicke vom Hof (u.a. mit bis zu 50 Almo-Ochsen), den sie mit ihrem Partner und den Schwiegereltern bewirtschaftet: „Um den Leuten bewusst zu machen, dass die Bilder in der Werbung oft mit der Realität wenig zu tun haben.“ Energische Gegner der Nutztierhaltung könne man damit „wahrscheinlich nicht bekehren. Aber ich kann und will jene erreichen, die nicht mehr viel über Landwirtschaft wissen“. Ihr Engagement ist daher nicht auf Instagram (sie postet unter @gschuahof) beschränkt. Künftig beginnt sie über „Schule am Bauernhof“ schon bei den Jüngsten mit landwirtschaftlicher Aufklärungsarbeit.  Auch Michaela Sandmayr bekräftigt: „Social Media ist kein Muss!“ Aber es sei wichtig, dass die Bauernschaft selbst die Kommunikationsrolle übernehme. „Menschen vertrauen Menschen mehr als Institutionen. Wenn jeder Landwirt nur 25 Menschen außerhalb des eigenen Stammtisches erreicht, haben wir es geschafft.“ Den großen Vorteil von Social Media sieht indes die Zillertaler Bergbäuerin und Lebensmitteltechnologin Magdalena Esterhammer (Ihre mehr als 35.000 Follower auf Instagram kennen sie als @leni.vom.bichlhof.) darin, „dass auch wir Kleinbauern mit am Tisch sind und mitdiskutieren können. NGOs sind uns da um Jahrzehnte voraus“. Und die junge Generation sei eben am besten über Instagram & Co. zu erreichen.

Mutmacherinnen

Viktoria Ruthner führt mit ihrem Mann einen Holsteinzuchtbetrieb im Waldviertel. Sie will die Kommunikation über bäuerliche Themen nicht branchenfernen Stimmen überlassen.
Quelle: Archiv

Aber wen erreichen die „Farmfluencerinnen“ in den sozialen Medien? Es seien sehr viele Bauern selbst, mit wachsendem Publikum kämen auch immer mehr aus anderen Gesellschaftsschichten dazu. Vor allem nach innen sei die Mutmacher-Funktion nicht zu unterschätzen, wie Viktoria Ruthner erzählt: „Es ist schön, von anderen Bauern zu hören, dass sie nun auch den Mut haben, ihren Stall zu zeigen.“ Laut Magdalena Esterhammer würden aus der Bauernschaft auch Bitten an sie herangetragen: „Bitte, Leni, mach einen Beitrag. Da rückt schon wieder ein Radiosender Milch ins schlechte Licht, um Pflanzendrinks anzupreisen.“ In solchen Fällen könne sie ihre Expertise in der Lebensmittelbranche ausspielen. Ähnlich erging es zu Ostern Corinna Büchner: Sie wurde von erzürnten Berufskollegen bestärkt, gegen eine Karikatur in der Kronen-Zeitung vorzugehen, die Bauern als Giftspritzer zeigt, vor denen der Osterhase flüchtet. „Da werde ich zwar emotional, aber versuche mit Fakten entgegenzuwirken.“ Kritik bleibt ohnehin nicht aus. Mit jener vonseiten genereller Gegner der Nutztierhaltung lerne man umzugehen, so der Tenor der jungen Bäuerinnen, die sich dabei auch gegenseitig den Rücken stärken. Die kritischsten Rückmeldungen, räumt indes Magdalena Esterhammer ein, habe sie bisher aber von Bauern selbst erhalten: „Da ging es um unsere extensive Wirtschaftsweise in steiler Hanglage, die von manch anderen als Hobby oder Konkurrenz erachtet wird.“ Generell habe sie im Umgang mit kritischen Stimmen gelernt, nicht im Affekt zu antworten, so Esterhammer: „Sacken lassen. Sachlich bleiben.“ Das habe sich als beste Antwort erwiesen. Oder wie Viktoria Ruthner gelernt hat: „Du kannst nicht jede Diskussion gewinnen. Aber du hast viel erreicht, wenn dein Gegenüber später über das Gesagte nachdenkt.“

Fazit: Reden zahlt sich aus

So unterschiedlich die Erfahrungen sind, die die Landwirtinnen seit ihrem Schritt in die Öffentlichkeit gemacht haben, so einhellig ist ihr Fazit: Kommunizieren zahlt sich aus. Und es gibt noch Brücken zwischen Bauern und Gesellschaft. Das haben laut Michaela Sandmayr die Traktorproteste gezeigt: „Es war beeindruckend, zu sehen, wie die Bevölkerung die Blockaden mitgetragen hat. Bei den Klimaklebern war das nicht so.“ Viktoria Ruthner richtet daher einen Appell an alle Bauern: „Wir können stolz auf unsere Arbeit sein. Wir müssen uns nicht entschuldigen.“ Und um beim Eingangsthema zu bleiben: „Wir müssen auch selbst wertschätzen, was wir tun.“ Damit der Wert nicht nur eine Schätzung bleibt.

 

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