Jährlich werden von der EU an die 60 Milliarden Euro an Agrarförderungen vergeben und trotzdem werden die Höfe reihenweise aufgegeben. In den vergangenen 20 Jahren hat Österreich mehr als ein Drittel, Deutschland fast die Hälfte seiner landwirtschaftlichen Betriebe verloren. Das ist kein gutes Zeugnis, das sich die EU und die Agrarpolitik insgesamt damit selbst ausstellt. Die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) schafft es nicht, den Betrieben längerfristig Sicherheit zu geben. Zu oft wird an unterschiedlichen, manchmal sich widersprechenden Stellschrauben gedreht, werden die Spielregeln geändert. Teilweise – und nicht zu selten – liegt das auch an den agrarischen Lobbyisten, die im Brüsseler Kommissionsgebäude ein und aus gehen. Die Frage ist, was haben unsere Agrarpolitiker dem entgegenzusetzen? Ziel einer vernünftigen Agrarpolitik muss es sein, die Rahmenbedingungen dafür zu schaffen, dass Landwirte ein entsprechendes Einkommen erwirtschaften können, um so möglichst viele Höfe zu erhalten. Das ist so auch im 2009 erneuerten Grundlagenvertrag „Vertrag über die Arbeitsweise der EU“ in Artikel 39 unter anderen in Punkt b folgendermaßen formuliert: „Ziel der gemeinsamen Agrarpolitik ist es, der landwirtschaftlichen Bevölkerung, insbesondere durch Erhöhung des Pro-Kopf-Einkommens der in der Landwirtschaft tätigen Personen, eine angemessene Lebenshaltung zu gewährleisten.“ Die Wirklichkeit ist eine andere. Laut einem Bericht des europäischen Parlamentes erreichen landwirtschaftliche Einkommen innerhalb der europäischen Union nicht einmal 50 Prozent der Einkommen in anderen Branchen. Möglicherweise liegt das auch an Punkt a des oben genannten Grundlagenvertrages, in dem es heißt: „Ziel der gemeinsamen Agrarpolitik ist es, die Produktivität der Landwirtschaft durch Förderung des technischen Fortschritts, Rationalisierung der landwirtschaftlichen Erzeugung und den bestmöglichen Einsatz der Produktionsfaktoren, insbesondere der Arbeitskräfte, zu steigern.“
Überschuss oder Exportprodukt?
Das Ergebnis einer solchen Politik ist die verordnete, permanente Überproduktion. Noch vor Jahren als Preiskiller verteufelt, ist die Überproduktion im heutigen Sprachgebrauch zum Exportgut geworden und ein integrierter Bestandteil des Wettbewerbssystems. So feiern wir in der agrarischen Exportentwicklung einen Rekord nach dem anderen, wogegen gleichzeitig die Erzeugerpreise in der Tendenz stagnieren oder sinken. Die wirklichen Profiteure von hohen Agrarexporten sind demnach nicht die Landwirte, sondern die Händler, Einkäufer und Konzerne, die auf Grund der Überschusssituation die Preise drücken können. Unter diesen Bedingungen nützt Exportorientiertheit den Landwirten wenig. Auch ist es bis heute nicht gelungen das auf der Hektaranzahl basierende Direktzahlungssystem in ein gerechtes Fördersystem für die kleinen und mittleren Familienbetriebe umzubauen. Noch immer bekommen 20 Prozent der Betriebe 80 Prozent der Mittel. Und die große Mehrheit muss sich mit dem kleinen Rest begnügen. Von Klimaschutz über Tierwohl, Versorgungssicherheit und Bio bis hin zu funktionsfähigen ländlichen Gebieten und gesellschaftlicher Akzeptanz braucht es die bäuerlichen Familienbetriebe. Sie zu erhalten, zu fördern und Zukunft zu geben, ist eine der dringendsten Aufgaben. Dazu braucht es aber entscheidende Veränderungen. Dafür muss die Agrarpolitik die Rahmenbedingungen vorgeben. Nicht in Sonntagsreden, sondern durch Fakten. Erste Voraussetzung: mehr auf die Interessen der Bauern zu achten, als auf die Einflüsterungen der Lobbyisten zu hören.
Sie wollen uns Ihre Meinung zum Thema sagen? Schreiben Sie uns:
hans.meister@landwirt-media.com, Tel.: 0043 316/821636-167, Fax: DW 151
Kommentare